Albert Camus. Der Mensch in der Revolte

24. Oktober 2024

Albert Camus

Der Mensch in der Revolte

Reinbek bei Hamburg 1969

L’homme révolté, erschienen 1951

«Die Analyse der Revolte führt mindestens zum Verdacht, dass es, wie die Griechen dachten, im Gegensatz zu den Postulaten des heutigen Denkens eine menschliche Natur gibt. … Er fordert zweifellos für sich den Respekt, aber in dem Mass, in dem er sich mit einer natürlichen Gemeinschaft identifiziert.»

«Wir leben im Zeitalter des Vorsatzes und des vollkommenen Verbrechens. Unsere Verbrecher … haben ein unwiderlegbares Alibi, die Philosophie nämlich, die zu allem dienen kann, sogar dazu, die Mörder in Richter zu verwandeln. … Sobald man aber, mangels Charakters, nach einer Doktrin rennt, sobald das Verbrechen anfängt, seine Gründe in der Vernunft zu suchen, wuchert es wie die Vernunft selber und nimmt alle Formen logischer Denkschlüsse an. … Am Tag, an dem das Verbrechen sich mit den Hüllen er Unschuld schmückt, wird – durch eine seltsame, unserer Zeit eigentümlichen Verdrehung – von der Unschuld verlangt, sich zu rechtfertigen. … In der Zeit der Ideologien muss man sich mit dem Mord auseinandersetzen. Wenn der Mord Vernunftgründe hat, leben unsere Zeit und wir in ihrer Konsequenz. Wenn er keine hat, leben wir im Irrsinn … wenn nichts einen Sinn hat und wenn wir keinen Wert befahren können, ist alles möglich und nichts von Wichtigkeit. Ohne Für und Wider hat der Mörder weder unrecht noch recht. … Man kann nicht dem Mord eine Logik zugestehen, wenn man sie dem Selbstmord verweigert. Ein Geist, der von der Idee des Absurden durchdrungen, lässt zweifelsohne den Mord aus Schicksalsbestimmung gelten, doch nicht den überlegten Mord. Angesichts dieser Kluft sind Mord und Selbstmord ein und dasselbe, beide muss man zusammen bejahen oder verwerfen. So führt denn der absolute Nihilismus, der den Selbstmord zu legitimieren bereit ist, noch leichter zum Mord aus Überlegung. Wenn unsere Zeit leichtweg die Rechtfertigung des Mordes annimmt, so aus dem Grund jeder Indifferenz dem Leben gegenüber, die das Kennzeichen des Nihilismus ist. … Wenn man dem Selbstmord seine Gründe abspricht, ist es gleicherweise unmöglich, dem Mord solche zuzusprechen. Es gibt keinen halben Nihilisten. … Vom Augenblick an, da man die Unmöglichkeit der absoluten Verneinung anerkennt, und Leben auf irgendeine Weise kommt dieser Anerkennung gleich, ist das Erste, was sich nicht leugnen lässt, das Leben des anderen. … wo doch Leben an sich schon ein Werturteil ist. Atmen heisst urteilen.» 

Das Buch enthält vor allem auch Camus‘ Auseinandersetzung mit dem autoritären Sozialismus: «Der autoritäre Sozialismus hat die lebendige Freiheit beschlagnahmt zugunsten einer idealen, erst noch kommenden Freiheit.» Es ist speziell die kritische Auseinandersetzung mit Jean-Paul Sartre, der sich dem Stalinismus verschrieben hatte. Doch es ist mehrt: «Zwei Jahrhunderte metaphysischer oder historischer Revolte laden zum Nachdenken ein. … [es] sollte wenigstens möglich sein, eine durchgehenden Faden darin zu finden.» Camus beschreibt die «aussergewöhnliche Geschichte von Europas Hochmut. … Der Mensch ist das einzige Wesen, das sich weigert, zu sein, was es ist. Die Frage ist, ob diese Weigerung ihn nur zur Vernichtung der anderen und seiner selbst führen kann …». Camus stellt die Frage damit auch an unsere Zeit.

 

 

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