Moritz Nestor
1980 Gründung der «World Federation of Right to Die Societies»
In der historischen Phase der Übernahme des Neoliberalismus‘ ab Beginn der Achtzigerjahre aus dem «Versuchslabor» Chile nach Europa wird 1980 auch die «World Federation of Right to Die Societies» (Internationale der Sterbehilfe-Gesellschaften) als ideologischer Arm dieser Bewegung gegründet. Exit, der Schweizer Ableger der «World Federation of Right to Die Societies», entsteht 1982 unter Übernahme der Statuten des britischen Vereins «My Death My Decision».
Die politische Agenda des Neoliberalismus‘ will alle Lebensbereiche (Kultur, Bildung, Gesundheit, Verteidigung, öffentlicher Verkehr usw.), die in einer sozialen Marktwirtschaft aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit nicht dem «freien Spiel» der allesfressenden Marktkräfte (Angebot und Nachfrage) überlassen wurde, herausbrechen und dem «freien Markt» ausliefern. Ein sozialdarwinistisches Szenario in und zwischen den Staaten entsteht. Dankbarkeit, Güte, Fürsorge, Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe als vorstaatliches Mass für die sozial gerechte Verteilung der Güter wird zum «Hemmnis» des «freien Wettbewerbs» erklärt – alles, was den Sozialstaat ausmacht: mit einem Wort «Mitmenschlichkeit», ja der Mensch selbst wird obsolet. Das Geld ist der Gott dieser wahrhaft «kannibalischen Ordnung». Hier stimmt das Wort ausnahmsweise.
«Who is society? There is no such thing»
Der furchtbare Satz Margaret Thatchers «Who is society? There is no such thing» [4] wird tödliche Realität, vor allem auch für die alten Menschen. Denen wir doch alles verdanken! Sie fühlen sich in dem Klima einer Kultur, die Mitmenschlichkeit zum Hemmnis für Freiheit des Gottes namens Geld erklärt hat, überflüssig und als Last, weil sie nicht mehr «rentieren». Sie werden zu «nutzlosen Essern» erklärt. Ihnen legt eine kalte gewordene Gesellschaft nahe, sie sollen doch bitte sterben wollen. Man helfe gerne zum «selbstbestimmten Tod», das verstehe sich, denn jeder habe ein «Recht auf den Tod». Die Hand des Töters aber, der das Gift dem für wertlos gehaltenen alten Menschen reicht, weil dieser alte Mensch – der, nota bene, ein Leben lang gearbeitet hat, damit auch der junge Mensch, der ihm nun das Gift besorgt, etwas hat – zu schwach ist, sich selbst Gift zu besorgen. Diese Hand des «Helfers», der immer gerne genommen hat, was die alte Generation auch für ihn geschaffen hat, als er noch klein war, diese Hand trieft vor Mitleid: «Tödlichem Mitleid», wie Klaus Dörner es nannte. Das Mitleid verdeckt das Urteil: «Du hast keinen Wert.»
«New Public Management»
Das «New Public Management» baut den Staat um in ein «Büro», das «effzient» den Bürger als «Kunden» behandelt, nicht mehr als Staatsbürger. Ab 1993 verlief der Umbau der Schweiz nach dieser Agenda in den wichtigsten staatlichen Bereichen parallel: 1. Gesundheitswesen (Privatisierung der Spitäler, Übernahme der WTO-Verträge durch den Bundesrat, ohne das Volk darüber abstimmen zu lassen), 2. Liberalisierung der «Tötung auf Verlangen» (Art. 114 StGB) nach dem Modell Niederlande, 3. Uniformierung der Medien pro «Sterbehilfe»: «Recht auf Tod», 4. Schulreformen (weg vom Klassenunterricht als Schule der Demokratie, hin zur Schule als Grossraumbüro, Übernahme von Bologna durch einen Verwaltungsakt, am Volk vorbei und ohne parlamentrarisches Gesetzgebungsverfahren), 5. Pflege«reformen» (die gleichen Akteure und die gleiche Konzepten wie bei den Schul- und Spital«reformen»), 6. Drogenliberalisierung («Recht auf Rausch»), usw.
«World Federation» – ein Bluff
Die «World Federation of Right to Die Societies» suggeriert, für die ganze Welt zu sprechen. Aber sie umfasst nur zweiundzwanzig Staaten: Südafrika, Zimbabwe, Japan, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Spanien, Schweden, Schweiz, Grossbrittanien, USA, Australien, Neu Seeland, Kolumbien, Venezuela. Nur in diesen Staaten gibt es «Right to Die Societies». Das sind nur 11% aller 193 Mitglieder der Vereinten Nationen. Die grosse Mehrheit der Menschheit ist nicht Teil der «World Federation» der Todesengel.
«Sterbehilfe» ist also ein Phänomen in den westlichen angloamerikanischen Industrienationen inklusive Japan, die nach der neoliberalen Agenda funktionieren.
Auch die Rede von «die USA» täuscht
Nur eine kleine Minderheit («just a handful»), nämlich neun von 51 US-Staaten kennen «Death with Dignity Laws» Die Internet-Platform «World Population Review» schreibt in ihrem Bericht «Right to Die States 2024» über die tatsächle Anzahl der «Euthanasie»-Gesellschaften in den USA. Die «Recht auf Sterben Staaten 2024» haben «Gesetze zum Sterben in Würde, auch bekannt als Gesetze zur ärztlichen Sterbehilfe».
«Ab 2021 gibt es nur noch eine Handvoll US-Bundesstaaten mit Gesetzen zum «Recht auf Sterben»: Kalifornien, Colorado, District of Columbia, Hawaii, Maine, New Jersey, Oregon, Vermont und Washington.» [«As of 2021, there are just a handful of U.S. states with „right to die“ laws. Those states are California, Colorado, District of Columbia, Hawaii,Maine, New Jersey, Oregon, Vermont, and Washington.»]
Quellen
[1] World Population Review. Right to Die States 2024. URL: https://worldpopulationreview.com/state-rankings/right-to-die-states
[2] Compassion & Choices. URL: https://compassionandchoices.org/states-where-medical-aid-in-dying-is-authorized/
[3] https://deathwithdignity.org/states/
[4] Margaret Thatcher. Interview for Woman’s Own („no such thing [as society]„) 23. September 1987. URL: https://www.margaretthatcher.org/document/106689