Die Tagespost vom 15. April berichtet über das Positionspapier der «Ärzte in Ehrfurcht vor dem Leben»:
Bislang heißt es in § 16 der Musterberufsordnung klar und unmissverständlich: „Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötungleisten.“ Nach Ansicht des BÄK-Präsidenten, kann das nicht so bleiben: „Wir können nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Norm aufrechterhalten, die dem Arzt jede Form von Unterstützung versagt“, erklärte Reinhardt bereits im Herbst des vergangenen Jahres. […]
Eine Position, die sich weder von selbst versteht, noch von allen geteilt wird. So haben inzwischen mehr als 70 Ärzte eine Erklärung unterzeichnet, die davor warnt, die Musterberufsordnung „vorschnell“ zu ändern. Die Erklärung trägt den Titel „Hilfe zum Leben statt Hilfe zum Sterben“ und kann auf der Webseite www.aertze-in-ehrfurcht-vor-dem-leben.de eingesehen werden. In ihr verweisen die Unterzeichner darauf, dass selbst das Bundesverfassungsgericht „die Frage nach der Verfassungskonformität unserer Berufsordnungen, die uns – unserem Selbstverständnis entsprechend – die Beihilfe zur Selbsttötung verbieten – nicht abschließend geklärt“ habe.
Auch könne nach dem Urteil kein Arzt zur Mitwirkung an einer Selbsttötung verpflichtet werden. Die lesenswerte Erklärung, die auch mit Kritik an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht spart, hält den Richtern vor, „eine existenzielle Thematik auf den Aspekt der Selbstbestimmung reduziert“ zu haben. Es sei jedoch „wichtig, den Suizidwunsch als Symptom menschlicher Not, als Hilferuf, zu erkennen, der fast immer vorübergehender Natur ist“. Werde „der Suizidwunsch jedoch als Ausdruck von Selbstbestimmung gewertet“, werde „der verzweifelte Suizidgefährdete in seiner Not allein gelassen“. „Aufgabe des Arztes“ sei es, „dem suizidalen Menschen einen Ausweg aus seiner vermeintlichen Hoffnungslosigkeit aufzuzeigen, mit ihm neue Perspektiven im Umgang mit seiner schwierigen Situation zu entwickeln oder die schwierige Situation mit ihm auszuhalten“. Der Schwerpunkt müsse daher „auf Suizidprävention und dem Kampf um das Leben jedes einzelnen Menschen liegen“.
Von dem sind die bisher einzigen beiden, Ende Januar vorgestellten interfraktionellen Gesetzentwürfe weit entfernt. Sowohl der Gesetzentwurf, der von einer Gruppe um die Bundestagsabgebordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Petra Sitte (Die Linke) und Karl Lauterbach (SPD) erarbeitet wurde, als auch der von den beiden Grünen-Politikerinnen Katja Keul und Renate Künast präsentierte Gesetzentwurf, sind im Grunde seelenlose Regelungswerke, die sich damit begnügen, zur Suizidhilfe bereite Personen einen rechtsicheren Rahmen für straflose Handlungen zu schaffen und Suizidwilligen Zugang zu Präparaten zu ermöglichen, die zur Selbsttötung geeignet erscheinen. Kritik daran üben selbst jene, welche die Beihilfe zum Suizid nicht prinzipiell ablehnen: Dass „Suizidassistenz gegen Bezahlung nicht unter Strafe gestellt wird“, sei ein Fehler, kritisiert etwa der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch: „Wenn für die organisierte Hilfe zur Selbsttötung bezahlt werden muss, bleibt die Selbstbestimmung des Sterbewilligen auf der Strecke.“