Alfons Simon. Verstehen und Helfen

14. Oktober 2024

Alfons Simon. Verstehen und Helfen

Schriften der deutschen Gesellschaft für Erziehung 2
Die Aufgaben der Schule,
1950

Alfons Simon. Verstehen und Helfen. Erstes Lebensbild  PDF öffnen/herunterladen

Der Münchner Grundschullehrer Alfons Simon zeigt am Beispiel eines aggressiven Schülers, wie soziales Lernen und Wert-Erziehung auf dem Hintergrund der individualpsychologischen Pädagogik nach Alfred Adler im Schulalltag aussehen.

«Es gibt kaum eine reinere Freude, als die, die sich nach einer gut getanen Arbeit einstellt. Man fühlt sich in seinem ganzen Wesen erhoben. Wir haben ein Hindernis überwunden und sind damit ein Stück voran gekommen. Wir erleben unser eigenes Wachstum und das strahlt Kräfte aus, die den ganzen Menschen erfüllen. Dieses Wachstumserlebnis ist es, das Kinder in ihren tiefsten Schichten erfasst: in ihrem Selbstwertgefühl, ihrer Selbstachtung, in ihrem Selbstbewußtsein. Unsere wichtigste Erziehungsaufgabe ist, unseren Schülern diese doppelte, ineinander verschränkte Arbeits- und Wachstumsfreude erleben zu lassen, jedem einzelnen Kind zu helfen, sein Wachstum zu spüren und auf solche Weise seinen eigenen Wert zu entdecken

«Der Lehrer sieht in der Fehlhandlung oder Fehlhaltung des Kindes nicht den Ausfluss seines „bösen oder schuldbar schwachen Willens“ – er erkennt die früheste und tiefste Ursache der Erziehungsschwierigkeit in einer Störung der natürlichen kindlichen Entwicklung. Die jedem gesunden Kinde eingeborenen Kräfte, die zur Anpassung an die vorgefundenen Lebensumstände und zur Einordnung drängen, sind in falsche Bahnen gelenkt, gestört, unterdrückt worden; – er betrachtet es als seine Erzieheraufgabe, dem Kinde die Möglichkeit zu geben, die versäumte Entwicklung nachzuholen; – er weiss, dass das nicht mit Worten, auch nicht mit äusseren Mitteln geschehen kann, dass es dafür nur einen Weg gibt: das Kind andere Erfahrungen machen zu lassen. Das Kind wehrt zunächst ab; es hat sein Vertrauen auch in dieser Hinsicht verloren; – es versucht dann zaghaft; – es erlebt kleine Erfolge und die damit verbundenen Erfolgsfreuden; – es entdeckt in sich Kräfte und Fähigkeiten, es entdeckt sich und seinen Wert. Das Wort des Lehrers begleitet diese Selbstentdeckung; es ordnet, wo das Kind sich noch nicht allein zurechtfindet; – er bestätigt, stützt und bestärkt, wo das Kind noch zweifelt. Dieser Prozess der Zurückgewinnung des Selbstvertrauens braucht vorsichtige, behutsam-zurückhaltende Führung. Der Lehrer muss wissen, dass er es dabei mit dem Verletzbarsten im Menschen, seinem Selbstgefühl, zu tun hat.»

 

 

 

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