Ein «Beruf wie jeder andere». Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt. Prostitution wird es immer geben. Stimmt das? Ist nicht ganz Ähnliches vor gar nicht so langer Zeit auch von der Sklaverei gesagt worden? Und wird Sklaverei nicht heute von Humanisten und Demokraten geächtet? In Ländern wie Schweden oder Frankreich redet man im Zusammenhang mit Prostitution von der Menschenwürde der Frauen – und Männer. Und bekämpft die internationale Frauenhandels-Mafia. Nur in Deutschland wird der «Verkauf» von Körper und Seele verschleiernd «Sexarbeit» genannt und gilt die Prostitution als ein «Beruf wie jeder andere» – und nur in Deutschland öffnete eine rot-grüne Gesetzesänderung 2002 mit einem Gesetz den Frauenhändlern Tür und Tor. 90 % aller Prostituierten in Deutschland kommen aus den ärmsten Ländern in Osteuropa und Afrika. Doch auch die meisten deutschen Prostituierten landen in der Altersarmut. In dem von Alice Schwarzer herausgegebenen Band informieren Autorinnen und Autoren über den Skandal des «deutschen Sonderweges», die bittere Realität der Frauen in der Prostitution – und den Kampf von Feministinnen an ihrer Seite.
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Alice Schwarzer lässt Betroffene zu Wort kommen.
Ellen Templin, Chefin eines Domina-Studios in Berlin-Schöneberg berichtet auf den Seiten 171-178
Seit der «Legalisierung» der Prostitution durch das 2002 durch die rot-grünen Regierung Schröder/Fischer erlassene Prostitutionsgesetz sind die Sexanzeigen des Berliner Stadtmagazins «Tip» von einem Tag auf den anderen hemmungslos geworden, «auch die Freier brutaler. Von einem Tag auf den anderen. Wenn man sagt: Das mache ich nicht – antworten die heutzutage: Hab dich nicht so, das ist doch dein Beruf!»
«Neulich hat mich ein Mann angerufen, die ich nicht kannte, und mich gefragt: Kann ich dir nachmittags mal für zwei, drei Stunden meine Monika zum Jobben vorbeischicken? Auf Nachfrage stellte sich heraus: Monika ist seine Ehefrau, und sie haben Schulden und brauchen Geld. Das ist beileibe nicht das einzige Angebot dieser Art, das ich in den vergangenen Jahren bekommen habe.»
«Früher lief SM [= Sadomasochismus: sexuelles Lusterleben durch Zufügen oder Erleiden von Gewalt] unter ‚Perversion‘, nicht nur prostituiertentechnisch, sondern auch medizinisch gesehen. Heute ist Sadomasochismus ’normal‘ und inzwischen lässt sich etwa jeder fünfte Freier lustvoll quälen». «Früher hatten die Freier wenigstens noch ein schlechtes Gewissen. Das gibt es heute nicht mehr. Sie wollen immer mehr.»
«Unter Prostituierten wird jetzt noch mehr gesoffen, werden noch mehr Drogen genommen, wird noch mehr gekotzt, gibt es noch mehr Schuppenflechte.»
«Ich kenne keine einzige Prostituierte, die sich als ‚Prostituierte‘ krankenversichert hätte – was ja angeblich der grosse Vorteil der Gesetzesreform [von 2002] sein soll. Auch hier im Studio will doch keine, dass die anderen wissen, was sie tut. Viele hier haben Kinder. Die meisten zwei. Die sagen immer: Meine Kinder dürfen das nie erfahren.»
«Für die Zuhälter ist das neue Gesetz natürlich ein Traum. Die sind jetzt ja nur noch Manager …»
«Es gibt keine freiwillige Prostitution. Eine Frau, die sich prostituiert, hat Gründe, in erste Linie psychische. … Und in zweiter Linie hat hat sie finanzielle Gründe. … Die Seele von Frauen, die sich prostituieren, ist immer schon zerstört.»
«Es gibt allerdings Frauen, die, nachdem sie sich zum ersten Mal prostituiert haben, sagen: Zum ersten Mal in meinem Leben hat mir ein Mann Komplimente gemacht. … Das heisst, deren Selbstwertgefühl ist noch nicht mal im Keller – es existiert überhaupt nicht.»
«Eine der Frauen … war beim Therapeuten, … . Und der hat ihr doch tatsächlich gesagt, er fände das toll, was sie macht. Als sie mir das erzählt hat, habe ich es ihr nicht geglaubt. Ich bin also auch hin. Und ich habe ihm gesagt, wie verzweifelt ich bin, dass ich mich schäme und überhaupt nicht klarkomme damit, dass ich mich prostituiere. Da hat er mir geantwortet: ‚Das ist doch gar kein Problem. Ich finde das gut, was sie machen. Das ist doch jetzt auch ein richtiger Beruf.»
«Früher hat man uns gesagt, mit uns stimme was nicht, weil wir Prostituierte sind. Jetzt stimmt mit uns was nicht, wenn wir nicht gerne Prostituierte sind.»
«Prostitution ist eine unmenschliche Tätigkeit – und kein Beruf wie jeder andere.»