BRD: Das Märchen von der Kostenexplosion im Gesundheitssystem

18. Januar 2002 Moritz Nestor

Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der deutschen Bundesärztekammer: “Die Antwort auf diese Frage [nach den Ursachen des tatsächlich vorhandenen Defizits im Gesundheitswesen] liefert das von seinem Ministerium [Wirtschaftsministerium der BRD] in Auftrag gegebene Gutachten „Wirtschaftliche Aspekte der Märkte für Gesundheitsdienstleistungen“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Es zeige sich, so schreiben die Experten in ihrem Gutachten, „dass die verbreitete Vorstellung von der ,Kostenexplosion im Gesundheitswesen‘ nicht durch die vorliegende empirische Evidenz gedeckt ist“. Der Anteil der Gesamtausgaben für das Gesundheitswesen sei seit etwa 1975 mit 13,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes konstant. Der Anstieg der Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) seit dieser Zeit von 10,5 Prozent (1975) auf 13,6 Prozent (2001) ergebe sich vor allem aus der schmaler werdenden Bemessungsgrundlage für die Beitragszahlung zur GKV.

Die eigentlichen Ursachen für die derzeitige Finanzlage der Krankenkassen liegen nicht in den nur moderat gestiegenen Ausgaben für die ärztliche Behandlung, auch nicht in der Ausgabensteigerung im Arzneimittelbereich, sondern in den schwindenden Einnahmen der Kassen und den politisch induzierten Finanzlasten, die der GKV aufgebürdet werden. In den letzten zehn Jahren sind der Gesetzlichen Krankenversicherung (nach Angaben des Ersatzkassenverbandes) annähernd 50 Milliarden DM entzogen worden, weil Löcher in der Rentenkasse und der Arbeitslosenversicherung gestopft werden mussten.

Damit bewahrheitet sich einmal mehr die Diagnose, die aus den Reihen der Ärzteschaft bereits in den 80er-Jahren gestellt wurde: Unser Gesundheitswesen wird zwar solidarisch finanziert, aber unsolidarisch in Anspruch genommen und politisch missbraucht. Die Politik ganz allein ist für diesen eklatanten Missstand verantwortlich. Ohne die beschriebenen Milliardenlasten hätten wir in diesem Jahr kein Defizit bei den Kassen und folglich auch keine Beitragserhöhungen.“

Quelle: Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 3 vom 18.01.2002, Seite A-79

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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