Das Ende aller Hemmungen: Ein Fernsehfilm wirbt für den «Tod auf Verlangen»

Januar 1995 Moritz Nestor

Derzeit bietet die niederländische Fernsehgesellschaft IKON den internationalen Fernsehanstalten den Film «Tod auf Verlangen» an, der die Tötung eines Kranken durch einen Arzt zeigt. Begonnen hatten die Befürworter einer Liberalisierer der Euthanasie in den Niederlanden vor über zwanzig Jahren damit, den «Gnadentod» für schwer leidende Sterbende als menschliche Tat hinzustellen, und sie versicherten, man trete für die Lebensverkürzung auf freien Wunsch des Patienten ein. Sie forderten ein «Recht auf den Tod». Man sprach von «selbstbestimmtem Sterben». Später war zu erfahren, dass auch Menschen getötet wurden, von denen man nur angenommen hatte, dass es ihr mutmasslicher Wille gewesen sei, nicht weiterzuleben. In der Folge hörte man von der Tötung Behinderter und dementer Alter, die von ihren Familien als nicht mehr tragbar erklärt worden waren und dann getötet wurden. Es folgte die Tötung von Kindern und von Aidspatienten. Immer mehr öffnete sich die einmal aufgestossene Tür. Es folgte der nächste Schritt, nicht nur bei körperlichem Leiden, sondern auch bei seelischem Leiden körperlich gesunder Patienten zu töten, und unerbittlich forderte die Logik des Tötens, dass heute in den Niederlanden alle Formen «untragbaren Leidens» als Grund akzeptiert werden, um einen Patienten töten zu dürfen. Aus der ursprünglichen Forderung nach dem «Recht auf den Tod» ist heute immer mehr eine Pflicht des Arztes geworden, leidende – was immer das heissen mag – Patienten zu töten. Die niederländische Ärztegesellschaft KNMG hat den Auftrag bekommen, Richtlinien vorzuschlagen, wie man mit Ärzten verfahren soll, die nicht töten wollen. Der Entzug der Approbation steht zur Debatte.

 

Euthanasie-Reality-TV

Nach über zwanzig Jahren massiver Euthanasiepropaganda ist daher heute der Schritt klein, eine Patiententötung auch noch am Fernsehen vorzuführen, um die letzten Hemmungen einzureissen. Der Sender verteidigte sich nach der Erstausstrahlung gegenüber empörten Anrufern mit dem Zeitgeistargument, man habe lediglich Vorurteile abbauen wollen. Es geschmacklos und unsittlich zu finden, dass man die Tötung eines Menschen öffentlich inszeniert wie ein Theaterstück, ist zum Vorurteil geworden! Das österreichische Fernsehen, der Norddeutsche Rundfunk und die amerikanische ABC haben den Film bereits in voller Länge ausgestrahlt. Von der niederländischen Fernsehgesellschaft IKON wird die Videokassette jedem interessierten Zuschauer für wenig Geld verkauft.

Der Film zeigt einen Patienten, der an einer heute nicht heilbaren Krankheit leidet und mit Billigung der Justiz durch einen Arzt getötet wird. Statt ihn zu pflegen und das Leben so erträglich wie möglich zu machen, redete man so lange auf ihn ein und malte ihm aus, was im Laufe seiner Krankheit alles an Schrecklichem auf ihn zukommen werde, bis er jegliche Hoffnung verlor und den «freien» Entschluss fasste, sich lieber umbringen zu lassen als zu leiden. Zwei Ärzte – sie wirkten stellenweise fast roboterhaft – vergewisserten sich, ob der Wunsch wirklich «freiwillig» sei. Zum Geburtstag des Patienten am 4. Mai 1994 wurde ein Fernsehteam eingeladen. Vor surrender Kamera redeten Arzt und Ehefrau des langen und breiten unbarmherzig über die Sinnlosigkeit seiner Lage, bis er weinte. Schliesslich legte sich der Patient zu Bett, die Ehefrau setzte sich zu ihm, der Arzt verabreichte eine Spritze, um ihn in Tiefschlaf zu versetzen, und spritzte dann ein Gift. Die Ehefrau im Arm, fühlte der Arzt den verebbenden Puls. Alles vor laufender Kamera!

Unter dem reisserischen Titel «Tod auf Wunsch» schickten Journalisten im Oktober 1994 die Bilder dieses Mordes über den Sender: Euthanasie-Reality-TV! Ein Mensch wird vor laufender Kamera getötet. Der dies tut, ist kein Heckenschütze in Sarajevo, sondern ein junger Arzt in einer freundlichen niederländischen Stube – mitten im tiefsten Frieden. Der Arzt gehört schon zu der Generation Ärzte, die bereits jene «neue Moral» verkörpern, wonach der Arzt buchstäblich Herr über Leben und Tod ist bzw. sich zu dieser Position aufspielt. Keine Gewissensregung ist mehr bei ihm darüber zu spüren, dass er einem Menschen das Leben nimmt. Er «hilft» ja, so schreibt die Euthanasie-Ideologie ihm vor zu denken. Manchmal berühre es ihn noch zu töten, schildert er, dann üssten ihn seine Freunde einfach etwas in Ruhe lassen.

 

Nie wieder! ?

Die Journalisten sendeten aber nicht nur die Bilder der Tötung, sondern verfuhren wie einst vor fünfzig Jahren in dem berüchtigten nationalsozialistischen Euthanasiefilm «Ich klage an!». Sanfte Musik stimmt den Zuschauer ein. Ehe man es wagt, den Arzt beim Töten zu zeigen, wird er erst einmal als Inbegriff der Humanität aufgebaut. Die Bilder zeigen ihn zunächst in seiner Praxis bei der Betreuung einer Schwangeren, eines Neugeborenen. Eine geschickte Kameraführung mit malerischen Szenen suggeriert einen sanften Mann, der sich viele Gedanken macht! Wenn er dann allerdings mit dem Patienten redet, von dem er weiss, dass er ihn Minuten später töten wird, dann verzerren sich seine Gesichtszüge immer wieder, und er wirkt maskenhaft freundlich.

Man weiss nicht, worüber man sich mehr empören soll, ob über den tötenden Arzt oder die Ehefrau, die ihm bereitwillig hilft, oder über die Journalisten, die es wagen, Tötungen zur Unterhaltung auszustrahlen. Wer das Tötungsverbot im Staate aufhebt – was die Niederländer mit ihrem Euthanasiegesetz getan haben –, betritt eine schiefe Ebene, auf der es keinen Halt gibt. Diese geschmacklose Sendung ist im wahrsten Sinne des Wortes das logische Resultat einer «Kultur des Todes», wie die deutsche Katholische Nachrichtenagentur die Legalisierung der Patiententötungen nannte.

Wie hiess es doch 1935 in den «Nationalsozialistischen Leitsätzen für ein neues deutsches Strafrecht»:

 

«Nicht in den Bereich des Strafrechts gehört die Sterbehilfe, denn die Volksgemeinschaft ist nicht so erbarmungslos, dem unheilbar Kranken und dem Sterbenden sein Leben und seine Qual gegen dessen Willen aufzuzwingen.»

 

In den Niederlanden werden heute mit Billigung des Gesetzes (!) nicht nur Sterbende, sondern mittlerweile auch «Unheilbare», psychisch Kranke und «Leidende» getötet! Zu Recht warnte der Vatikan davor, die niederländische Euthanasiepraxis führe zu einem neuen Holocaust und zum Völkermord.

 

(Zeit-Fragen Nr. 13, Januar 1995, Seite 15)

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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