Wissenschaftszentrum Berlin: Der «erste Think Tank amerikanischer Prägung in Europa»

2013 Moritz Nestor

[Jeder Abschnitt bezieht sich auf eine Quelle, die am Ende des Abschnitts in einer Endnote zitiert wird.]

Wissenschaftszentrum Berlin: Der «erste Think Tank amerikanischer Prägung in Europa»

 

 

1       Vorbereitung im Stillen

 

1968 bereiten einige Bundestagsabgeordnete, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, die Gründung eines Wissenschaftszentrums vor. Organisator mit allseits guten Beziehungen in Politik und Wirtschaft ist Gerd Brand. Er wirbt erfolgreich unter Wissenschaftlern, Politikern und Industriellen. Ein Wissenschaftszentrum in Berlin sei ein „Brückenschlag“ zwischen östlicher und westlicher Wissenschaft, die Unterstützung des Vorhabens sei zudem eine „Berlin-Hilfe.“[1]

 

Exkurs: Gerd Brand (1921-1979), „deutscher Philosoph und Wissenschaftsmanager“. 1933 Exil. 1939-1947 Studium der Volkswirtschaft und Philosophie in Belgien/Löwen. 1948 Hauptgeschäftsführer der Belgisch-Luxemburgisch-Deutschen Handelskammer. 1949/50 Leiter der ersten Dienststelle in Belgien nach dem Krieg. 1950-1969 im Auswärtigen Amt: Legationsrat I. Klasse; Kurator der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer in Berlin (1962-1964). 1969-1973 Generalsekretär des WZB. Ab 1973 im Vorstand der Thyssen Stiftung.[2]

 

Am 3. Februar 1969 gründen 15 „Gesellschafter“ (Bundestagsabgeordnete aus CDU und SPD) das Wissenschaftszentrum Berlin Gemeinnützige GmbH (WZB). Unter den Gründern sind der einstige Adenauer-Adlatus Felix von Eckardt (CDU), Ex-Minister Johann Baptist Gradl (CDU), Bundesjustizminister Gerhard Jahn und Alex Möller sowie eine Gruppe von Industrie-Lobbyisten, unter anderen: Wolfgang Pohle (CSU, geschäftsführender Gesellschafter des Flick-Konzerns) und Siegfried Balke (CSU-MdB, ehem. Präsident der deutschen Arbeitgeberverbände).[3]

Zweck des Wissenschaftszentrums sei die Errichtung neuartiger Forschungsinstitute und „die Förderung des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens in Deutschland“.[4] Eine inhaltliche Begründung des Projekts wird durch Alarmstimmung ersetzt: Die „Bewältigung der neuartigen und drängenden Probleme unserer Gesellschaft“ könne einzig mit Hilfe „neuartige Forschung“ gelingen, und die „neue Wissenschaft“ müsse „wirksame und handlungsfähige Gruppen“ in die Lage versetzen, den „Stand der gesellschaftlichen Probleme zu erkennen und zu handeln, bevor eine Krisensituation eingetreten ist.“[5]

Das Wissenschaftszentrum Berlin Gemeinnützige GmbH will acht neuartige Forschungszentren nach US-amerikanischem Muster ins Leben rufen, und zwar ausserhalb der bestehenden Universitäten und unkontrolliert von der Öffentlichkeit. Das ist neu. Diese privaten Institute sollen von Bonn und der Wirtschaft finanziert werden. Es gehe um die Heranbildung einer Wissenschaftselite und um „Forschungen“, die die bestehenden Machtverhältnisse zementieren.[6]

In den zehn Monaten vor seiner Gründung bleibt die Wissenschaftszentrum Berlin Gemeinnützige GmbH – die Zeitung Kritische Justiz nennt es ein „Spätprodukt der Grossen Koalition“[7] ‑ streng von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Bundespräsident Heinemann gibt erst am 8. Mai 1970 die Gründung bekannt.[8]

 

Exkurs: Das Amerikanische Modell ist umstritten: Der CDU-Kultusminister von Rheinland Pfalz, Bernhard Vogel, entwirft 1969 ebenfalls das Modell einer „privaten Stiftungsuniversität“. Der SPD-Bildungspolitiker Prof. Ulrich Lohmar fordert, „Non-Profit-Universitäten“ für Wissenschaftler, „die keine Auftragsforschung für die kapitalistische Industrie übernehmen wollen“.[9]

 

Das WZB nimmt die Globalisierungspropaganda der 90er Jahre vorweg: „Internationale Forscher sollten an West-Berlin gebunden, wissenschaftliche Beratung für die Praxis gefördert und eine nicht an Disziplinen gebundene Forschung gestärkt werden.“ „die Gesellschafter erarbeiteten einen großen Plan, der den Aufbau von acht Instituten über ein breites Themenspektrum vorsah, von Management und Verwaltung über Linguistik bis zu einem Center for Advanced Studies.“[10]

Bis zum 13.4.1970 erhält das WZB bereits rund 250 000 Mark vom Wissenschaftsministerium, das weitere 2,5 Millionen Mark in Aussicht stellt. Mit diesem Geld gründet die WZB das Internationale Institut für Management und Verwaltung, eine Manager-Eliteschule für „Führungskräfte aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung“.[11]

In Planung sind: Ein Deutsches Kolleg für „12 bis 15 hochrangige Wissenschaftler“, ein Internationales Zentrum für fortgeschrittene Studien für 50 Nachwuchs-Denker, der Berlin-Preis der deutschen Wissenschaft für hervorragende Forscherleistungen, die Deutsche Fakultät für Wissenschaftler, die eine Zeit im Ausland arbeiten, eine Reihe von Instituten Für Spezialuntersuchungen und Auftragsforschungen für wirtschaftliche oder politische Gruppen, ein Institut für Bedarfsforschung und Verbrauchererziehung, ein Institut für Urbanistik, das versuchen soll, „den Marktmechanismus zu ergänzen, ohne Ihn aufzuheben“.[12]

 

Exkurs: Für zwei Institute stehen zu diesem Zeitpunkt bereits die Konzepte:
(1) Das Institut für Management und Verwaltung. Es bildet Nachwuchs-Manager aus. In Studienkursen lernen diese, „den komplizierten Wandel der Praxis zu analysieren“ und zu „lenken“. Diese jungen werdenden „Wirtschaftslenker“ testen in Planspielen „mögliche Strategien der Gewerkschaften“ aus oder „welche hierarchischen Strukturen“ sich für „verschiedene Typen von Großorganisationen“ am besten eignen würden.
(2) Das Institut für Konflikt- und Friedensforschung“. „Es will nicht die Ursachen menschlicher Konflikte oder aggressiven Verhaltens“ ergründen, sondern Hilfen „für die politische Praxis“ liefern. In „Denkspielen“ („Scenarios“) sollen die kommenden Konfliktforscher Modelle mögliche Krisen analysieren – als „Entscheidungshilfe“ für Politiker. Untersucht wird z. B.: „In welchen kommunistischen Staaten sind Auf stände oder innere Unruhen wahrscheinlich?“

 

Generalsekretär Brand hat den US-Amerikaner James Howell, den ehemaligen Dekan der Stanford-University, Kalifornien, zum Direktor des Institut für Management und Verwaltung ernannt. Nach der Regierungsneubildung in Bonn wird FDP-Schatzmeister Hans Wolfgang Ruhm Gesellschafter des WZB.[13]

Der Wissenschaftsrat erhält vom Wissenschaftsministerium den Auftrag, über die Pläne des Wissenschaftszentrums ein Gutachten zu erstellen. Davon wird abhängig gemacht, ob Bundesfinanzminister Hans Leussink weitere Subventionen freigeben wird. Brand: „Wir haben Leussink langsam hingekriegt.“[14]

 

 

 

2       Der Proteststurm bricht los

 

Erst im April 1970 werden die Freie Universität und die Technische Universität in Berlin offiziell von der Gründung informiert, und ein Proteststurm bricht los. Wissenschaftler der FU sind alarmiert: „mangelnde Transparenz“ kritisiert FU-Präsident Rolf Kreibich die Hinhaltpolitik. „Gefährliche Tendenzen zur Privatuniversität“ mit abhängiger Forschung, „grosspurig“, „dilettantisch“, rügt der Soziologieprofessor Hans Peter Dreitzel. Auf der Fassade des OSI der FU steht: „Zerquetscht das WZB“.[15]

Am 10.4.1970 berichtet Der Tagesspiegel über eine Pressekonferenz mit den beiden Präsidenten von TU und FU: „Mit dem WZB erwachse den Universitäten eine Konkurrenz, die aber keiner öffentlichen Kontrolle unterliege, und schon gar nicht den Mitbestimmungsregeln des neuen Hochschulgesetzes. Eine Kooperation, von den WZB-Gründern angestrebt, lehnten Rolf Kreibich (FU) und Hans Wever (TU) mit der vermeintlichen ‚Privat-Universität‘ ab. Andere Professoren der FU wählten härtere Formulierungen. Jacob Taubes (FU) etwa sprach von der Gefahr, dass sich WZB-Forscher zu ‚Handlangern der Macht‘ entwickeln würden. Studentenvertreter geißelten die ‚Kalten Krieger‘.“[16]

 

Exkurs: Jacob Taubes ist ein enger Freund von Herbert Marcuse.

 

In den nächsten Apriltagen 1970 protestieren die Westdeutsche Rektorenkonferenz, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Bundesassistentenkonferenzen gegen „die öffentliche Finanzierung einer privatrechtlichen Einrichtung“, gegen diese „Gegenuniversität“ und gegen die geplanten „Eliten-Studiengänge“. Stephan Leibfried, einer der protestierenden Wissenschaftler meint: Die WZB und ihre „wohldotierten Pläne“ seien die „klandestine Etablierung einer postuniversitären Funktionärselite-Schule (für privatkapitalistische Organisationen und öffentliche Bürokratien als Einheit konzipiert)“.[17]

„Die Politikwissenschaftler Iring Fetscher und Frieder Naschold, Berater der WZB-Gründer für das geplante Institut für Friedens- und Konfliktforschung, stellten ihre Mitarbeit ein, weil sie Kernpunkte der Kritik teilten.“, schreibt der Tagesspiegel.[18]

Am 21.4.1970 berichtet der Tagesspiegel: Eine Pressekonferenz des WZB wird von Mitgliedern der Roten Zellen gesprengt. „Sie beschimpften das WZB als ‚Ausbeuter- und Kriegstreiber-GmbH‘ und ‚Technokraten-Olymp für die Mandarine der Zukunft‘. Mit Stinkbomben und Knallkörpern verhinderten sie die Veranstaltung und verließen erst nach der Androhung eines Polizei-Einsatzes den Kampfplatz. Die Unterbindung einer offenen Diskussion führte nicht etwa zu einer Distanzierung anderer Skeptiker. FU-Präsident Kreibich sagte: ‚Ich sehe keine grundsätzlichen Diskrepanzen zwischen den Meinungen, die in den <Roten Zellen> artikuliert werden und der Auffassung, die vom Präsidenten und einigen anderen Vertretern der Universität vertreten worden sind.‘ “[19]

Die Berliner Morgenpost (Springer) bläst zum Gegenangriff: „Das geplante Wissenschaftszentrum bedeutet für Berlin eine Chance, wie sie die Stadt vielleicht in Jahrzehnten nicht mehr geboten würde.“[20]

Die Wahrheit, das Hausblatt des SED-Satelliten SEW in West-Berlin, hält dagegen und ruft „alle Demokraten und Sozialisten“ zu „Kampfaktionen“ auf, auch die „Arbeiterklasse, denn deren Interessen werden hier verhandelt“. Es gehe „um die Verhinderung der geplanten Projekte, es gehe um die friedensgefährdende Politik der Metropole“.[21]

 

 

3       ‚Big Stick’ tritt in Aktion

 

Und dann schaltet sich der Grosse Bruder Anfang Mai 1970 ein. Der Bonner Büroleiter der Los Angeles Times, Joe Alex Morris Jr., berichtet gemäss Tagesspiegel folgendermassen über den Streit um „den ersten Think Tank amerikanischer Prägung in Europa“ (sic! Morris!) „Mit einer alternden Bevölkerung und einer Wirtschaft, die vom Wohlwollen der Ostdeutschen und ihrer Launen abhängt, sieht die Zukunft düster aus“, schreibt Morris. Internationale Talente käme wohl kaum nach Berlin, „wenn man“, so Morris, „zulässt, dass eine Minderheit von studentischen Aktivisten mit falschen und irreführenden Argumenten den eigentlich bereitwilligen Landes- und Bundesregierungen die Bedingungen aufzwingen kann“.[22]

2009 berichtet Paul Stoop von der WZB selbst in den WZB Mitteilungen Nr. 123: Morris habe 1969 das WZB „the first American-style think tank in Europa“ genannt.[23] Stoop: „Nicht nur wegen des Arguments von Gerd Brand …, ein Institut wie das WBZ könne endlich den Brain-drain umkehren, hatte der Plan eine starke Verbindung zu den USA; dort gab es Thinktanks als institutionelle Vorbilder, von dort kamen WZB-Berater wie der Politologe Karl W. Deutsch (Harvard) und der Ökonom James E. Howell (Stanford).“[24] Morris nennt 1969 Berlin “das Zentrum der Aufklärung” und fordert: „Berlin’s future as the center of englightment could well rest in how the issue is resolved.“[25] Und: Berlin werde für internationale Talente nicht attraktiv, “if a minority of student activists armed with false or missleading charges, is permitted to dictate conditions to otherwise willing city and federal governments”.[26]

 

 

4       Es kommt zu einem Kompromiss

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Schütz und der Berliner Wissenschaftssenator Werner Stein führen Gespräche mit den Präsidenten von TU und FU. Das Bundeskabinett in Bonn befasst mehrmals mit der WZB-Frage.[27]

Es kommt zu einem Kompromiss, der das WZB lebensfähig macht: „Das WZB solle eng mit den Universitäten zusammenarbeiten, die auch Mitglied in den Aufsichtsgremien sein sollten. Für die wissenschaftliche Solidität des WZB sollte der Wissenschaftsrat einstehen.“[28] Mitbestimmungsmöglichkeiten im Institut wurden versprochen.[29]

Im Juli 1970 befürwortet der Wissenschaftsrat das WZB klar.[30] Zunächst gibt er aber nur grünes Licht für den Betrieb des Instituts für Verwaltung und Management. [31],[32] Es nimmt am 1. August 1970 seine Arbeit auf.[33] „Gründungsdirektor: James E. Howell, später folgten Fritz W. Scharpf, Walter H. Goldberg“.[34] Gunter Hofmann schreibt in der Stuttgarter Zeitung: „Die Würfel sind nun praktisch gefallen.“[35] Stoop: „die Sache war durch“![36]

Seit 1975 ist die öffentliche Trägerschaft des WZB gesichert.[37] Und von 1975-1987 ist Karl W. Deutsch Leiter des WZB. Das Hauptwerk von Karl W. Deutsch ist die Instrumentalisierung der Kybernetik für die „Politologie“.

1976 werden zwei weitere Internationale Institute unter dem Dach der WZB. errichtet: Das Institut für Vergleichende Gesellschaftsforschung dessen Leitung der umgefallene Kritiker Frieder Naschold gemeinsam mit dem aus Prag stammenden ehemaligen Sudentendeutschen Karl W. Deutsch die Leitung übernimmt.[38] Das Internationale Institut für Umwelt und Gesellschaft wird mit Meinolf Dierkes und Udo E. Simonis als Direktoren aufgebaut.[39]

„Naschold hob im Gespräch mit dem Tagesspiegel die gerade beginnende Zusammenarbeit mit den Universitäten und die seit 1975 endgültig gesicherte öffentliche Trägerschaft des WZB hervor. Dies ermögliche sein Ja zum WZB.“[40]

Paul Stoop, Leiter des Referats Information und Kommunikation des WZB: „So konnte aus dem WZB ein akzeptierter Partner der Hochschulen werden.“[41] Stoop 2009: „… alle fanden mit dem WZB ihren Frieden. … Pressekonferenzen und öffentliche Debatten verlaufen heute im WZB störungsfrei und geruchsneutral.“[42]

Die einst scharfen Kritiker sind eingebunden: Stephan Leibfried, der einst die WZB als „klandestine Etablierung einer postuniversitären Funktionärselite-Schule (für privatkapitalistische Organisationen und öffentliche Bürokratien als Einheit konzipiert)“ kritisierte,[43] ist heute Mitglied des WZB-Beirats.[44] Frieder Naschold ist bis zu seinem Tode 1999 ein “hoch respektierter WZB-Forscher“.[45]

1985 wird das Wissenschaftszentrum Berlin in Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung umbenannt.“[46] 1988 zieht es ins einstige Reichsversicherungsamt am Reichpietschufer um, „1894 erbaut, mit wuchtigen Neorenaissance-Mauern, neoklassizistischen Giebeln und Säulenbögen, gekrönt von Adlern.“[47] Die Angleichung des Namens an das Frankfurter Institut für Sozialforschung von Adorno und Horkheimer dürfte so wenig Zufall sein wie der Umzug in eine der Prunkbauten des Deutschen Reiche.

Am 14.2.2009 schreibt die Berliner Zeitung: „Heute, genau vierzig Jahre … später, gehört das Zentrum als etwas ganz Normales zu Berlin. … Denn aus dem befehdeten Institut von einst – auf vier Standorte verteilt – wurde eines der größten sozialwissenschaftlichen Institute Europas. … „Von der Neuen Nationalgalerie aus sieht man aber vor allem das moderne Ensemble, das James Stirling 1984 entworfen hat: mit collegeähnlichen Gebäuden, einer Basilika und einem Glockenturm nachempfunden. Hinter himmelblau-altrosa Fassaden erkennt man Büros, Akten- und Bücherregale. 150 Wissenschaftler arbeiten hier. Im Sommer sitzen im grünen Hof Studenten aus der nahen Staatsbibliothek, aber auch Mitarbeiter des Bendlerblocks und der Nationalgalerie. … Das WZB ist auch schon lange keine GmbH mehr; es wird von Bund und Land gefördert.“[48]

Zwischen 2001 und 2009 verschlanken Jürgen Kocka (Historiker und Präsident des WZB von 2001-2007) und Jutta Allmendinger (Soziologin, Präsidentin des WZB seit 2007) das WBZ, bauen es um und bringen es auf neuen Kurs. „Drei Gruppen von Nachwuchsforscher, alle von Frauen geleitet, verkörpern die neuen Prinzipien: Jünger, weiblicher und offener sollte das WZB werden.“[49]

2009 arbeiten 50 Doktoranden aus den Berliner Universitäten am WZB „mit den WZB-Wissenschaftlern verschiedenster Bereiche in interessanten Projekten“ zusammen. „Mobilitätsforscher zum Beispiel wollen wissen, unter welchen Bedingungen Großstädter aufs Car Sharing umsteigen, also die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und sich nur hin und wieder ein Auto ‚borgen‘. Um das herauszufinden, gründeten sie sogar eine eigene Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mit Partnern wie den Berliner Verkehrsbetrieben oder einer Car-Sharing-Firma. Eine andere Gruppe untersucht die wirtschaftlichen Folgen von Lebensereignissen wie Familiengründung, Trennung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit, und zwar im Vergleich Deutschland-USA. ‚Frauen auf dem Sprung‘ hieß eine Studie, die das WZB mit der Zeitschrift Brigitte herausbrachte. Es ging um die Lebensentwürfe junger Frauen zwischen 17 und 19 sowie 27 und 29 Jahren. Wie denken und verhalten sich Wähler, Manager, Autofahrer, die ‚jungen Alten‘? Wir wirkt sich Armut auf Lebensstil und Gesundheit aus? Wie entwickeln sich bürgerschaftliches Engagement und Protestverhalten? Was treibt Helfer in Krisengebieten an? All das waren und sind Fragen für das WZB. Es wirkt auch an großen Langzeitstudien mit, etwa dem alle zwei Jahre veröffentlichten bundesdeutschen ‚Datenreport‘ oder dem jüngst gestarteten ‚Nationalen Bildungspanel‘, in dem über mehrere Jahre die Bildungsverläufe von 60 000 Bürgern untersucht werden sollen.“[50]

2009: In den viermal jährlich erscheinenden WZB-Mitteilungen zeigt das WZB, was sie unter moderner „problemorientierter Grundlagenforschung“ versteht. In der jüngsten Ausgabe geht es um „drohende Altersarmut bei Künstlern“, den „Wandel von Stadtquartieren in kreative Milieus“, den Kopftuchstreit oder das „Machtstreben Russlands“. Das WZB wolle Themen aufgreifen, bevor sie in der allgemeinen Diskussion seien. Das sei schon manches Mal gelungen: „So entwickelten WZB-Forscher 1997 ein Konzept der ‚Übergangsarbeitsmärkte‘ – zwischen Voll- und Teilzeitarbeit, Selbstständigkeit und freier Tätigkeit -, lange bevor Bücher über die neue kreative Klasse oder die digitale Boheme erschienen. Auch in der aktuellen Krise versucht man nach vorn zu blicken, Strategien zu finden. Geplant ist etwa eine Dialogreihe über Perspektiven der Kapitalismus-Forschung. Zu den bekannten Namen, die man auf den Einladungen des WZB lesen wird, gehören in diesem Jahr Richard B. Freeman, einer der führenden Arbeitsmarktforscher, oder Saskia Sassen, die Soziologin, die den Begriff ‚Global City‘ prägte.“[51]

Im Herbst 2009 intensiviert das WZB die Kooperation mit Harvard: „Berliner Nachwuchsforscher werden vom Herbst 2009 an für mehrere Monate ins dortige Center for European Studies (CES) gehen, und Wissenschaftler aus Harvard kommen dafür zu Vorlesungen nach Berlin.“[52]

Zur 40-Jahrfeier des WZB 2009 im Roten Rathaus im Beisein von Bundespräsident Horst Köhler und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hält Lord Ralf Dahrendorf die Festrede. „Die amerikanische Philosophin Martha C. Nussbaum wird mit dem A.SK Social Science Award 2009 ausgezeichnet. Der Preis ist dotiert mit 100 000 Euro. Gestiftet wurde der Preis 2007 vom chinesischen Unternehmerpaar Angela und Shu Kai, das ein wichtiges, international vernetztes sozialwissenschaftliches Institut als Heimat für ihre Stiftung gesucht hatte. Diese fördert auch junge Sozialwissenschaftler. Erster Preisträger war der britische Ökonom Anthony B. Atkinson, ein Verfechter des Sozialstaats.“[53] Mit dabei bei der 40er Feier ist auch Bundesforschungsministerin Annette Schavan.[54]

2009 wird das WZB zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent vom Land Berlin gefördert. Das WZB beschäftigt sechs Forschungsprofessoren, 50 Doktoranden und drei Nachwuchsforschungsgruppen.[55] Zwischen 2009 und 2012 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das WZB.[56]

 

 

5       Rückblick 2013

 

2013 wird das WZB in einer machtbewussten und stolzen Selbstbeschreibung schreiben, es sei 1969 „aus der Mitte des Parlaments gegründet“ worden. Die Gründer hätten zwei Ziele verfolgt: „eine Stärkung West-Berlins durch die Bindung internationaler Forscher an die Stadt und die Förderung wissenschaftlicher Beratung für die politische Praxis. Die Situation an den durch die Studentenunruhen aufgewühlten Hochschulen machte aus Sicht der Initiatoren die Gründung eines außeruniversitären Forschungsinstituts noch dringlicher.“[57]

„Das WZB ist im Gegensatz zu den Hochschulen nicht lehrstuhlförmig aufgebaut. Die Forschungsbereiche sind thematisch, nicht disziplinär ausgerichtet. Diese Struktur erlaubt es dem WZB, immer wieder neue Themen aufzugreifen und so eine Art Vorläuferfunktion zu übernehmen.“ [58]

„Als außeruniversitäres Forschungsinstitut ist das WZB Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. … Die leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des WZB haben in der Regel eine Sonderprofessur an einer der Universitäten inne.“[59]

„Das WZB ist eine gemeinnützige GmbH.“[60] Aus einem ideologischen amerikanischen Think Tank ist eine gemeinnützige Gesellschaft geworden!

„Das WZB lädt herausragende internationale Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wissenschaftspolitik für die Dauer von zwei Jahren als Dialogpartner ein. Sie begleiten die Arbeit des WZB an ihren jeweiligen Institutionen, durch Einbeziehung des WZB in ihre Netzwerke oder auch durch längere Aufenthalte am WZB.“[61]

 

 

6       Ideologie des WZB

 

Konstruktivismus und Kybernetik/Systemtheorie: „Verwendet wird ein neo-institutioneller Ansatz, ergänzt durch Methoden der systemischen Prozessanalyse.“[62]

 


Anmerkungen

[1]   DER SPIEGEL 16/1970, Deutsch-Ordner, 1
[2]   Gerd Brand. In: Wikipedia. URL: http://de.wikipedia.ord/wiki/Gerd_Brand (12.05.2013 15:51:38)
[3]   Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[4]   Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[5]   Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[6]   Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[7]   Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[8]   Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[9]   Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[10] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[11] DER SPIEGEL 16/1970, Deutsch-Ordner, 1
[12] DER SPIEGEL 16/1970, Deutsch-Ordner, 1
[13] DER SPIEGEL 16/1970, Deutsch-Ordner, 1
[14] DER SPIEGEL 16/1970, Deutsch-Ordner, 1
[15] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[16] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[17] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[18] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[19] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[20] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[21] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[22] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[23] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[24] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[25] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[26] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[27] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[28] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[29] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[30] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[31] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[32] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[33] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[34] 2013, Homepage des WZB, Deutsch-Ordner, 1
[35] Hofmann, Walter: Gesellschaft mit beschränkter Öffentlichkeit. In: Stuttgarter Zeitung vom 23. Juli 1969.
[36] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[37] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[38] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[39] 2013, Homepage des WZB, Deutsch-Ordner, 1
[40] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[41] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[42] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[43] Tagesspiegel vom 9. Mai 2013, Deutsch-Ordner, 1
[44] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[45] Stoop, Paul: Der kurze Frühling der Empörung. In: WZB-Mitteilungen 123, März 2009.
[46] 2013, Homepage des WZB, Deutsch-Ordner, 1
[47] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[48] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[49] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[50] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[51] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[52] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[53] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[54] „Für Berlin, für Wissenschaft und Politik“, Deutsch-Ordner, 1
[55] Berliner-Zeitung vom 14.2.2009, Deutsch-Ordner, 1
[56] 2013, Homepage des WZB, Deutsch-Ordner, 1
[57] 2013, Homepage des WZB, Deutsch-Ordner, 1
[58] 2013, Homepage des WZB, Deutsch-Ordner, 1
[59] WZB: „Das WBZ“, Deutsch-Ordner, 1
[60] WZB: „Das WBZ“, Deutsch-Ordner, 1
[61] WZB: „Gäste des WZB“, Deutsch-Ordner, 1
[62] WZB: “Internationalization of Vocational and Higher Education Systems in Transition”, Deutsch-Ordner, 1

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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