«Ein jeder kehr´ vor seiner Tür, und sauber ist das Stadtquartier»

12. März 2013

Am 12. März 2013 gab im Deutschlandfunk Angela Merkel zur Parteispendenaffäre in Köln die Parole aus: Restlos aufklären! Fall reicht weit über Köln hinaus! Korruption liegt vor, jawohl Korruption, nicht nur Spendenaffäre! Eine ganz andere Qualität sei erreicht als beim Spendenskandal unter Kohl. Die listige Schlange hält dem braven Adam am Lautsprecher den keimfreien Apfel unter die Nase: Ich aus der DDR kann doch nicht korrupt sein! Merkels Botschaft geht x-mal durch Nachrichten deutscher Sender.

Wer sich noch erinnern kann, geht ans Regal, und bald liegt vor ihm das Buch „Cliquen, Klüngel und Karrieren“ von Erwin und Ute Scheuch.[1] Beide sind CDU-Parteimitglieder, er Professor der Soziologie zu Köln. Im Auftrag der Wirtschaftsvereinigung der CDU Nordrhein-Westfalens hatten die Scheuchs Ende der 80er Jahre für die BRD den damaligen Stand des Parteiensystems und die Qualität der Politiker untersucht. Danach waren sie nicht mehr lange in der CDU. Der Inhalt der 30-seitigen Studie des Ehepaar Scheuch veranlasste die CDU, deren Verbreitung schnell wieder zu stoppen und den Inhalt zu diffamieren. Die Scheuchs hatte der Schlange auf den Schwanz getreten. Jedenfalls kommt die Studie zu dem Schluss:

«In dieser Studie erfährt man, woher die vielfach beklagte Parteienverdrossenheit kommt. In der Bundesrepublik hat sich auf allen Ebenen  ein neuer Typus von Politikern herausgebildet: der Berufspolitiker. Er macht Karriere, ohne sich durch nennenswerte Erfahrungen in einem Beruf praktische Fachkenntnisse angeeignet zu haben. Er ist seinem Selbstverständnis nach vielseitig einsetzbar und profiliert sich, indem er Politik als Medienereignis inszeniert. Er gehört einer politischen Klasse an, die sich strukturell weitgehend von der übrigen Bevölkerung abgeschottet hat. Getragen und gefördert wird seine Karriere durch Cliquen- und Kartellbildung, seine Existenz ist von Seilschaften und Gefälligkeiten abhängig. Das Berufspolitikertum hat längst die kommunale Ebene erreicht. Es hat sich ein weitreichendes System von Vorteilsnahmen gebildet, das parteiübergreifend wirkt und der Beschaffung und Sicherung von Privilegien dient. Wie dieses System aussieht, wird am Beispiel der Stadt Köln ausführlich dargestellt. Von der Verwaltung über die Kultur bis zu den städtischen Gesellschaften werden alle öffentlichen Bereiche parteipolitisiert. CDU- und SPD-Politiker schieben sich gegenseitig hochdotierte Posten zu.“ „Die Parteien … sind auf dem Weg zu einer Mehrparteienobrigkeit.“ lautet das Fazit 1992.

Merkel will nun 2002 allen weismachen, das Problem Köln sei ein Korruptionsfall in den Reihen der SPD! Die Listige kann darauf bauen, dass wenige nunmehr das Scheuch-Buch kennen. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge mehr aus. Denn wie sagte Scheuch: „Es hat sich ein weitreichendes System von Vorteilsnahmen gebildet, das parteiübergreifend wirkt und der Beschaffung und Sicherung von Privilegien dient. … CDU- und SPD-Politiker schieben sich gegenseitig hochdotierte Posten zu.“

Von Johann Wolfgang Goethe liegt im Stadtarchiv zu Freiburg im Breisgau eine handschriftliche Notiz: «Ein jeder kehr´ vor seiner Tür, und sauber ist das Stadtquartier!» Als ich dort studierte, prangte sie gross auf jedem Müllauto der Stadt.

[1]          Reinbek bei Hamburg 1992

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