Eldridge Cleaver (1968): Der Mut zum Töten

Eldridge Cleaver (1968): Der Mut zum Töten: Begegnung mit den Black Panther. Moritz Nestor

In seinem Aufsatz „Der Mut zum Töten“ [1] berichtet Eldridge Cleaver, der später bei den Black Pantern eine wichtige Rolle spielen sollte, von seiner ersten Begegnung mit den Panthern im Jahre 1967 auf einer Versammlung des „Bay Area Grassroots Organization Planning Committee“ (S. 41). Cleaver über die Anwesenden: „wir waren die Grassroots, die Wurzeln, die Quelle“ (S. 42f.).

Bei dem „Bay Area Grassroots Organization Planning Committee“ handelte es sich um eine Aktionskomitee, welches die Aktionen und Feierlichkeiten zum vierten Jahrestag der Ermordung von Malcolm X mit den Massenaktionen der schwarzen Gemeinde in Bayview Community Center in Hunter’s Point koordinieren sollte. Betty Shabazz, Malcolm X‘ Witwe, sollte Hauptrednerin der Feiern sein. Ihre Sicherheit war einer der Hauptpunkte der Versammlung, von der Cleaver berichtet.

Anwesend sind: Roy Ballard, Ken Freeman (Präsident der Black Panther Nordkaliforniens), Jack Trueblood (Vertreter der San Francisco State College’s Black Student Union), Marvin Jackmon (mit ihm, dem „Schriftsteller“ Ed Bullins und mit Willie Dale, mit dem er in St. Quentin gewesen war, hatte Cleaver im Januar 1967 das Black House gegründet, Mittelpunkt der schwarzen Subkultur in der Bay Area.), Bill Sherman (ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei und damals Mitglied des Zentralkomitees der Black Panther von Nordkalifornien), Victoria Durant (Repräsentantin der örtlichen schwarzen Demokraten), Nasser Shabazz, Anne Lynch (Leiterin der Black Care, der weiblichen Hilfstruppe der Black Panther), Vincent Lynch (Black Panther Party Nordkalofornien) und Marianne Waddy.

Cleaver wollte anlässlich der bevorstehenden Massenversammlung die OAAU, die Organization of Afro-American Unity, wiedergründen. Sie war einst von Malcolm X als „Vortrupp der Revolution“ (S. 43) gegründet worden und nach dessen Ermordung eingegangen. Betty Shabazz hätte allem den Segen geben sollen.

Nach einer Weile stoßen Huey P. Newton, Bobby Seale, Bobby Hutton und Sherwin Forte dazu. Roy Ballard stellt sie als Oakland Panthers vor. Sie wollen davon nichts wissen und nennen sich „nur“ Black Panther Party.

„[. . .] da standen vier schwarze Männer mit schwarzen Baskenmützen, blauen Hemden, schwarzen Lederjacken und schwarzen Hosen und glänzenden schwarzen Schuhen – und jeder der Männer trug ein Gewehr! [. . .] Ich war aufgewühlt, überwältigt!„(S. 45). „Sie waren völlig gelassen, und mir schien, daß sie sich der elektrischen Wirkung, die sie auf uns alle ausübten, durchaus bewußt waren.“ (S. 46)

Huey P. Newton, der „Verteidigungsminister“ der Panther: „Es kommt uns nicht darauf an, zu welchem dieser Themen wir sprechen. Unsere Botschaft ist immer ein und dieselbe. Wir werden darüber sprechen, daß die Schwarzen sich bewaffnen und in der politischen Arena das politische Mittel der organisierten Macht einsetzen müssen, um dafür zu sorgen, daß ihre Wünsche und Forderungen erfüllt werden. Andernfalls werden politische Konsequenzen gezogen werden. Die einzige Kultur, die es wert ist, daß man über sie spricht, ist die Kultur der Revolution. Es kommt also nicht darauf an, welchem Thema ihr das zuordnet. Wir werden jedenfalls über die politische Macht sprechen, die vom Lauf enes Gewehres ausgeht.„(S. 46)

Cleaver nennt Fanon’s Buch „Die Verdammten dieser Erde“ die „schwarze Bibel“. (S. 37) Der Schwarze werde erst dadurch Mensch, dass er lerne, den „Slavenhaltern den Hals abzuschneiden [. . .]“. (S. 38)

Und mit dem Schriftsteller LeRoi Jones argumentiert er: „Ein kleiner Mord wird uns alle wieder zu normalen Menschen machen.“ (S. 38) „Wir brauchen„, heißt es an anderer Stelle, „keinen Feldzug gegen die Armut. Was wir brauchen, ist ein Krieg gegen die Reichen.“(S. 40)

Malcolm X, für den der Weisse ein Unglücksfall der gentechnischen Versuche eines verrückten schwarzen Professors war, ist für Cleaver das leuchtende Vorbild: „Für die revolutionäre schwarze Jugend von heute beginnt die Zeitrechnung erst mit Malcolm X. Bevor er in Erscheinung trat, stand die Zeit still, herrschte die Stagnation der Sklaverei. Erst Malcolm fing an, Fraktur zu reden, die Dinge beim Namen zu nennen – und das ist Eisen im Blut eines jungen Negers.“ (S. 51)

Ernst Jüngers martialischer Jargon aus „In Stahlgewittern“ klingt befremdend an, und jener berühmte Spruch vom „Gott, der Eisen wachsen ließ“, Gralsritterassoziationen werden bewußt erzeugt: „Malcolm beherrschte die Sprache, und er gebrauchte sie wie ein Schwert, […] er zeigte uns den Regenbogen und den goldenen Topf an seinem Ende. In diesem goldenen Topf, sagte uns Malcolm, liege der Schlüssel zur Befreiung. Und Huey P. Newton […] hob – in blindem Vertrauen zu Malcolm – den goldenen Deckel vom Topf und steckte die Hand hinein, um diesen Schlüssel herauszuholen. Als er die Hand zurückzog und feststellte, was er herausgeholt hatte, sah er das Gewehr„.(S. 51)

Aus: Eldridge Cleaver (1968): Der Mut zum Töten: Begegnung mit den Black Panther. In: Ders. Nach dem Gefängnis. Reinbek 1970, S. 41-52.

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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