Das Europäische Patentamt erteilte kürzlich der staatlichen Universität von Michigan (USA) das Patent auf eine Giftmischung, die einen «ästhetischen» und schnellen Tod garantiert und (nach Angaben der Universität Michigan) auch für die Tötung von Menschen benutzt werden kann. Sie wird gegen einfaches Rezept leicht erhältlich sein. Soll jetzt an den beschämenden Patiententötungen auch noch gut verdient werden?
Am 10. April 1996 erhielt die Universität des US-amerikanischen Bundesstaates Michigan vom Europäischen Patentamt in München das Patent auf eine Giftlösung für die Tötung von «Säugetieren». Es gilt europaweit, unter anderem also auch für die Niederlande, für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Ein Blick auf die Hintergründe dieses Patentes offenbart Schreckliches: Es gilt – falls in einem Lande ein Euthanasiegesetz besteht – auch für die Anwendung des Patents für die Tötung von Menschen! In den Niederlanden und im australischen Bundesstaat Northern Territories existieren bereits solche Euthanasiegesetze.
Tötung von Menschen beabsichtigt
Bereits aus dem Patentantrag war klar hervorgegangen, dass sich das Patent auf die Tötung von Tieren und Menschen mittels der neuen Giftmischung erstrecken sollte. Es bleibt daher unverständlich, wie das Europäische Patentamt dieses sittenwidrige Patent an die Universität von Michigan vergeben konnte. Noch unverständlicher ist dies angesichts der Tatsache, dass der Prüfer des Europäischen Patentamtes, der den Patentantrag untersuchte, in einem Schreiben vom 1. März 1996 die Universität von Michigan unmissverständlich auf die beabsichtigte Tötung von Menschen hinwies:
«Die Untersuchungskommission stellt fest, dass der Zweck des Patentantrages nicht auf Euthanasie an niederen Säugetieren beschränkt ist. Wir machen den Antragsteller darauf aufmerksam, dass der Mensch eine Säugetierart ist und dass aus den Worten des Antrags hervorgeht, dass der Antragsteller ein Mittel schützen lassen will, womit ebenso Euthanasie an Menschen begangen werden kann.»
Der Antragsteller rede daher bewusst von «menschlichem Tod» («humane death») bei Säugetieren und davon, dass es um die «Ästhetik der Euthanasie» gehe!
Ein Blick in die dem Patent beigefügte Literaturliste offenbart, womit sich diejenigen beschäftigten, die ein neues Gift für Euthanasie an «Säugetieren» patentieren liessen: «Selbstmord mit Hilfe von Giften für die Euthanasie an Tieren» oder: «Euthanasie und das Recht auf den Tod: Holland und die USA stehen vor einem Dilemma».
Umgehung gesetzlicher Kontrollen
Der Antragsteller hat sodann bewusst eine neue Giftmischung hergestellt, die keine gesetzlich kontrollierten Substanzen mehr enthält. Bereits auf dem Markt befindliche Lösungen, mit denen Tiere eingeschläfert werden, müssen staatlich kontrolliert werden, wenn sie gefährliche und/oder suchterzeugende Substanzen enthalten. Zu welchem Zweck sollte ein Gift für die Einschläferung von Säugetieren frei von staatlich kontrollierten Substanzen sein? Es gehört zu den grössten Selbstverständlichkeiten eines seriösen Tierarztes, sich als Benützer gesetzlich kontrollierter Gifte registrieren zu lassen. Soll hier also ein Gift – nur noch gegen Rezeptpflicht – leicht für jedermann erhältlich auf den Markt geworfen werden?
Im Patentantrag ist zudem unverblümt davon die Rede, das Mittel solle auch von denjenigen leicht handhabbar sein, «die es anwenden wollten, aber nicht vertraut sind mit dem zeitlichen Verlauf oder der tödlichen Wirkung». Damit sind sicher keine Tierärzte gemeint, auch keine Hilfskräfte in Tierarztpraxen oder -kliniken! Diese sind als Fachleute vertraut mit der Handhabung solcher Gifte. Ein Gift für den Hausgebrauch also, leicht käuflich und auch von Laien einfach – und «ästhetisch», wie es der Antragsteller nennt – anwendbar!
Ausserdem: In der Literatur über Gifte für die Einschläferung von Tieren wird auf die Gefahr des Missbrauchs für Selbsttötungen hingewiesen. Dies ist dem Antragsteller bekannt.
Perversion der Sprache und des Denkens
Der bereits zitierte Prüfer des Europäischen Patentamtes wies die Universität Michigan darauf hin, dass Euthanasie ein Kapitalverbrechen ist, und verlangte hierzu eine klärende Stellungnahme beziehungsweise eine entsprechende Beschränkung des Patentantrages auf Tiere.
Statt zu widersprechen, bestätigen die Anwälte der Universität von Michigan am 1. Juli 1996 die Vorwürfe frank und frei. Man wolle nichts Ungesetzliches tun, aber:
«Falls es jedoch legal würde, diese Lösungen auch an Menschen anzuwenden, so soll sich dieses Patent auch auf die Anwendung der Lösungen zu diesem Zweck erstrecken.» Sie sprechen an anderer Stelle offen davon, es gehe um die Anwendung bei «niederen und höheren Tieren, den Menschen eingeschlossen».
Die Rechtsanwälte verstiegen sich sogar zu der Aussage, das Europäische Patentamt verstehe nichts von der «Ästhetik der Euthanasie».
Patent trotz Kritik der Prüfungskommission
Obwohl die Universität Michigan damit eingestand, dass sie auch Euthanasie an Menschen meint, wurde das Patent schliesslich doch erteilt. Am 10. Januar 1997 läuft die Einspruchsfrist dafür ab. Hatte nicht die Prüfungskommission des Patentamtes betont, dass mit diesem Patent Kapitalverbrechen begangen werden können? Wer hat diese Einwände zum Schweigen gebracht?
Die Brisanz des gesamten Vorgangs wird erst richtig deutlich, wenn man fragt, woher die stattliche Summe von etwa 30 000 US-Dollar stammt, die eine europäische Patentanmeldung bis zur Erteilung kostet. Eine öffentliche(!) Institution wie die Universität Michigan, finanziert aus Steuermitteln, will Euthanasie kommerzialisieren! Sind die Gelder, welche die Universität Michigan in das Giftpatent investierte, Steuergelder? Oder stecken andere Geldgeber dahinter? Auf alle Fälle liegt nun erstmals der unumstössliche Beweis vor, dass eine öffentliche Institution an Patiententötungen verdienen will! Ein moralischer wie staatsrechtlicher Skandal!
Unbekannte multinationale Organisation im Hintergrund
Wie den «Detroit News» vom 22. September 1996 zu entnehmen ist, hat mittlerweile Fred Erbisch, Sprecher des Amtes «für geistiges Eigentum» im US-Staat Michigan, erklärt, die Giftmischung sei ursprünglich nicht für den Gebrauch an Menschen gedacht gewesen. Eine multinationale Organisation, deren Namen er nicht nennen wollte, habe jedoch die Sache in die Hand genommen, um das europäische Patent zu sichern. Erbisch betonte, die Rechtsanwälte der Universität Michigan hätten nur versucht, den besten und breitesten Schutz der Patentrechte an dieser Giftmischung zu erreichen. Es bestehe ein Lizenzvertrag zwischen der Universität Michigan und der ungenannten multinationalen Organisation. Dieser erlaube nur die Anwendung auf Tiere. Zumindest augenblicklich noch – Lizenzverträge lassen sich jederzeit erweitern.
Was unterscheidet die Skrupellosigkeit der Verantwortlichen an der Universität Michigan (beziehungsweise der unbekannten multinationalen Organisation), die sich mit der Patentierung ihres Giftes Profitmöglichkeiten am Tod von Menschen sichern wollen, von der menschenverachtenden Gesinnung eines Drogendealers oder Waffenschiebers?
Skrupellose Missachtung des Rechts auf Leben
Während mit der laufenden Euthanasie-Kampagne für «Verständnis» und «Toleranz» gegenüber der Tötung von «lebensunwertem Leben» geworben wird, bereiten andere – unter der Schutzbehauptung, man tue nichts Ungesetzliches, es gehe ja «nur» um ein Patent – bereits die Kommerzialisierung des Tötens vor. Wenn das Euthanasieverbot wie in Holland oder Australien aufgehoben und es damit legal würde, Menschen zu töten, dann soll daran auch noch verdient werden. Die Skrupellosigkeit eines solchen Ansinnens wird deutlich, wenn man sich den Hintergrund für das Euthanasieverbot vergegenwärtigt: Kein Mensch darf einen anderen töten, und kein Mensch kann in seine eigene Tötung einwilligen. Das ist der naturrechtliche Kern jeder Rechtsordnung, jeder Zivilisation. Darum darf man auch keinem Menschen gestatten, an einer Tötung zu verdienen.
Das geplante Patent ist in dieser Form sittenwidrig und muss widerrufen werden! Weil das Tötungsverbot naturrechtlich gegeben und damit vorstaatliches Recht ist, verstösst das Patent nicht nur gegen bestehendes Recht, sondern gegen allgemeine, vorstaatliche sittliche Prinzipien, auf die auch die Schweizer Verfassung und das deutsche Grundgesetz aufbauen.
Quelle: Zeit-Fragen Nr. 32, Nov./Dez. 1996, Seite 16