Frans de Waal: Primaten und Philosophen – Wie die Evolution die Moral hervorbrachte (2008)

2009, Zusammenfassung Moritz Nestor


 


 

 

 

Teil I, Moral als Ergebnis der Evolution

 

Die sozialen Instinkte der Primaten, die menschliche Moral und der Aufstieg der „Fassadentheorie“

„Wir billigen oder missbilligen, weil wir nichts anders können. Können wir umhin, Schmerz zu fühlen, wenn das Feuer uns brennt? Können wir umhin, für unsere Freunde Mitgefühl zu haben?“[2]

„Warum sollte gerade unsere Gemeinheit das Gepäck der äffischen Vergangenheit sein und unsere Freundlichkeit einzigartig menschlich? Warum sollten wir nicht auch bei unseren ´edleren´  Zügen nach einer Kontinuität mit anderen Tieren zu suchen?“ [3]

Die Theorie vom Gesellschaftsvertrag und damit die ganze abendländische Kultur insgesamt ist von der Vorstellung durchtränkt, der Mensch sei von Natur her böse/egozentrisch und nicht das zoon politikon des Aristoteles.

Der Irrtum von Hobbes´ und Rawls´ und aller Gesellschaftsvertrags-Theoretiker ist: Das Sozialleben/die Gesellschaft sei ein „freiwilliges Arrangement mit selbst auferlegten Regeln, auf die sich frei und gleichberechtigt Handelnde geeinigt hätten.“[7] Alle Theorien, die annehmen, von Natur aus asoziale Kreaturen hätten sich rational dazu entschlossen, geordnete Gesellschaften zu bilden, stimmen nicht mit dem heutigen Wissen über die Evolution des Menschen überein:

„In Wirklichkeit gab es nie einen Zeitpunkt, von dem an wir sozial waren: Als Nachkommen von höchst sozialen Vorfahren … leben wir schon immer und ewig in Gruppen. … Jeder Zoologe würde unsere Art als notwendigerweise gesellig klassifizieren.“ [8] [9]

Die Gattung Mensch ist „bis ins Mark sozial … Wie durch und durch sozial unsere Spezies ist, illustriert anschaulich, dass nach dem Todesurteil die Einzelhaft die schlimmste Strafe ist, die wir uns vorstellen können. Dem liegt natürlich der Mechanismus zugrunde, dass wir einfach nicht als Einzelgänger geboren werden. Unser Körper und unser Verstand sind für ein Leben ohne andere einfach nicht geschaffen.[10] Ohne sozialen Beistand werden wir depressiv und verlieren jede Hoffnung.[11] Und unsere Gesundheit verschlechtert sich[12]: Jüngst erkrankten bei einem Experiment gesunde Freiwillige, die man Erkältungs- und Grippeviren aussetzte, umso leichter, je weniger Freunde und Verwandte sie um sich hatten (Cohen et al. 1997). … Die Wahrscheinlichkeit, älter als 65 Jahre zu werden, können sie damit von 65 auf 90 Prozent erhöhen (Taylor 2002).“[13]

In diesem Sinn gab es zu keiner Zeit in der Menschheitsgeschichte „freie“ und „unabhängige“ und „gleiche“ Menschen, die mit je einer „gleichberechtigten“ Stimme beschlossen, sozial zu leben.[14] De Wal drückt diesen Sachverhalt so aus:

„Freie und gleichberechtigte Einzelne hat es nie gegeben. Schon von Beginn an – falls sich ein Anfangspunkt überhaupt ausfindig machen lässt ‑ waren wir wechselseitig voneinander abhängig, aneinander gebunden, nicht gleichberechtigt.[15] Wir entstammen einer langen Ahnengalerie von hierarchischen Tieren, für die das Leben in Gruppen keine Option, sondern eine Überlebensstrategie war.“[16]

Für den Anthropologen ist die Tatsache, dass die Gattung Mensch „durch und durch sozial“ ist heute selbstverständlich. In Jura, Wirtschaft und Politik herrscht heute jedoch ein auffallender Mangel an Wissen um den Ursprung des Menschen.[17]

„Im Abendland gibt es die Neigung, Emotionen als verweichlicht und soziale Bindungen als chaotisch zu betrachten, so dass sich die Theoretiker lieber der Kognition als der massgeblichen Seite menschlichen Verhaltens zugewandt haben. Und dies, obwohl die psychologische Forschung nahe legt, dass menschliches Verhalten zuallererst aus schnellen, automatisierten emotionalen Einschätzungen herrührt und nur in zweiter Linie aus langsameren Bewusstseinsvorgängen (z. B. Zajonc 1980, 1984; Bargh und Chartrand 1999).“ [18] [19]

In den Sozial- und den Humanwissenschaften[20] liegt daher der Schwerpunkt auf individueller Autonomie[21] und Rationalität. Gefühle und Bindungen werden vernachlässigt oder ignoriert.

In der gegenwärtigen Debatte in der Evolutionsbiologie „hegen einige die Vorstellung, dass wir eine Spezies sind, die sich selbst erfunden hat.“ Rationalität gegen Emotionalität werden zudem gegeneinander ausgespielt:

 

Fassadentheorien

 

Durch und durch dualistisch: Wir sind teils Natur und teils Kultur, nicht ein gut integriertes Ganzes. „Die menschliche Moral wird als eine dünne Kruste dargestellt, unter der antisoziale, amoralische und egoistische Leidenschaften brodeln.“[27]

  1. Thomas Henry Huxley
    Dualismus von Moral gegen Natur. 1893: Die Naturgesetze seien unwandelbar. Ihre Wirkung auf den Menschen aber könne der Mensch mildern, wenn er die Natur unter Kontrolle behalte. Die Menschheit müsse wie ein Gärtner das Unkraut aus dem Garten heraushalten. „Die menschliche Ethik betrachtete er als Sieg über einen ungebärdigen und unschönen evolutionären Prozess (Huxley 1894).“ Er widerspricht damit (das einzigste Mal) Darwin. Darwin hatte 1871 in „Die Abstammung des Menschen“ die Moralität zu einem Teil des menschlichen Wesens erklärt.
    (a) Damit stammt nach Huxley Moral nicht aus der Evolution/Natur. Moralisch können wir nur werden, wenn wir gegen unsere Natur vorgehen!
    (b) Woher soll die Menschheit dann aber plötzlich die Stärke und den Willen haben, die eigene Natur zu besiegen? „Wenn wir … geborene Einzelkämpfer sind, die sich nicht um die Gefühle anderer kümmern, wie konnten wir uns dann in Musterbürger verwandeln? Können Menschen über Generationen hinweg ein Verhalten an den Tag lgen, das ihrem Charakter zuwiderläuft – wie ein Schwarm Piranhas, die Vegetarier beschliessen zu werden? … Würde uns das nicht zu Wölfen in Schafspelzen machen – nett nach aussen, bösartig nach innen?“ [28]
  2. Sigmund Freud
    Dualismus von Moral gegen Natur: Zivilisation entsteht nach Freud aus der Leugnung des Instinkts, Kultur ist sublimierter egoistischer Trieb.
  3. Williams
    Kampf des Menschen gegen Kräfte, die ihn hinabzuziehen drohen
    Ethik ist ein radikaler Bruch mit der Biologie. Die Natur sei niederträchtig. „Moral halte ich für eine zufällige Fähigkeit, die in ihrer grenzenlosen Stupidität von einem biologischen Prozess produziert wurde, der normalerweise dem Ausdruck einer solchen Fähigkeit entgegensteht.“ (Williams 1988: 438)
  4. Dawkins
    Unsere Gene wissen, was das Beste für uns ist. Wir sind die Überlebensmaschinen der Gene. „Wir allein … können uns gegen die Tyrannei der egoistischen Replikatoren auflehnen.“ (Dawkins 1976: 237) Dawkins beruft sich auf Huxley, wenn er meint, wir seien netter, als es unseren Genen guttue. „Neben vielen anderen Menschen, darunter T. H. Huxley, behaupte ich, dass wir in unserem politischen und sozialen Leben das Recht haben, den Darwinismus zu verabschieden, zu sagen, wir wollen in keiner darwinistischen Welt leben.“ (Roe 1997: 3; Dawkins 2003)
  5. Ghiselin
    “Kratz einen Altruisten, und ein Heuchler wird bluten.“ (Ghiselin 1974: 247, Abb. 1)
  6. Wright
    Tugendhaftigkeit ist in den Herzen und Seelen der Menschen nicht zu finden, wir seien potentiell moralisch, aber nicht von Natur aus. Aber was ist mit den Menschen, die moralisch sind? Der Mensch sei eben ein Heuchler! (Wright 1994)
  7. Badcock
    Moralität sei eine Selbsttäuschung, um die waren Motive zu verbergen. Wer an echte Moral glaubt, sei im Wunschdenken verhaftet. (Badcock 1986)

 

 

Kritik an der Fassadentheorie

 

Mayr: „Huxley glaubte an Endzwecke, lehnte die natürliche Selektion ab und vertrat in keiner Weise wirklich darwinistisches Denken.“[29]

„Man muss betonen, dass bereist zu Huxleys Zeiten Kritik an seinen Ideen geübt wurde (Desmond 1994), vor allem von russischen Biologen wie Petr Kropotkin. Angesichts des harten sibirischen Klimas waren russische Wissenschaftler traditionell schon immer weit mehr vom Kampf der Tiere gegen die Naturelemente beeindruckt als vom Kampf gegeneinander, weshalb sie Kooperation und Solidarität weit höher bewerteten als Huxley mit seiner Perspektive vom Fressen oder Gefressenwerden (Todes 1989). Kropotkins Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Pflanzenwelt (1902) war ein in Hochachtung gegenüber Darwin geschriebener Angriff auf Huxley.“[30]

Trivers mit seiner Theorie vom reziproken Altruismus (1971) verfeinerte Kropotkin. Beide erforschten die Ursprünge „einer kooperativen – und damit letztlich moralischen – Gesellschaft nach. Sie seien damit wahre Schüler Darwins.

 

 

Darwin über Ethik

 

„Die Evolution begünstigt Tiere, die einander helfen, wenn der daraus gezogene Nutzen langfristig grösser ist als der kurzfristige Vorteil, wenn sie allein und in Konkurrenz zueinander agieren.“[31]

Mutualismus: Kooperation mit simultanem Nutzen für alle Beteiligten. (Dugatkin 1997) Reziprozität: Kooperation mit zeitlichem Abstand zwischen Geben und Nehmen. (Trivers 1971, Axelrod & Hammilton 1981; Rothstein & Pierotti 1988; Taylor & McGuire 1988) In diesen Theorien liegt der Keim zu einer evolutionstheoretischen Erklärung der Moral. [32]Sie stünden nicht im

Widerspruch zu populären Vorstellung von der Rolle des Egoismus in der Evolution.

Eigennutz (self-serving): Handeln/Vorgänge im eigenen Interesse, aber ohne Absicht

Egoismus (selffishness): Absicht, im eigenen Interesse zu handeln.[33]

Gene sind Moleküle und können nicht egoistisch handeln. (Midgley 1979) [34]

„Es spricht nichts dagegen, Tiere (und Menschen) als das Produkt evolutionärer Kräfte zu beschreiben, die das Handeln im eigenen Interesse fördern, solange man sich klar macht,[35] dass dies keineswegs die Evolution altruistischer und empatisierender Tendenzen ausschliesst.“ [36] Darwin habe das auch erkannt, statt den Menschen so darzustellen, als stünde er ausserhalb der biologischen Gesetzmässigkeiten.[37]

Die Evolution altruistischer und empathisierender Tendenzen hat Darwin mit Gruppenauslese erklärt (Darwin 1871: 122). Spätere Forscher ziehen dafür die Theorie der Individualselektion bzw. Verwandtenselektion heran. (Sober & Wilson 1998; Boehm 1999) De Waal meint, das reiche, es brauche die Gruppenselektion nicht. [38]

Darwin: „Es sympathisieren indessen sicher viele Tiere mit dem Schmerz oder der Gefahr ihrer Genossen.“ (Darwin1871: 128) Das ist der Einfluss von Adam Smith. „Es sagt jede Menge über die Unterschiede aus, die wir zwischen eigennützigem Verhalten und egoistischen Motiven machen müssen, dass Smith, der am besten für seine Betonung des Selbstinteresses als treibende Wirtschaftskraft bekannt ist, zugleich auch über die universelle menschliche Fähigkeit der Empathie schrieb:“[39]

„Wie selbstsüchtig auch immer der Mensch eingeschätzt werden mag, so liegen doch offensichtlich bestimmte Grundveranlagungen in seiner Natur, die ihn am Schicksal anderer Anteil nehmen und ihm die Anteilnahme an deren Glück notwendig werden lassen, obwohl er keinen anderen Vorteil daraus zieht als das Vergbügen, Zeuge davon zu sein.“ (Smithz 1759: 25)

Empathie ist die Fähigkeit, Gefühle anderer nachvollziehen zu können. Unmittelbar und unkontrollierbar ist Empathie bei ganz unterschiedlichen Tieren beobachtet worden.[40] Alle Arten, die auf Kooperation bauen, zeigen Gruppenloyalitätund Hilfsbereitschaft. Solche Tendenzen entwickelten sich im Laufe der Naturgeschichte

„ … im Kontext eines fest geknüpften Soziallebens, in dessen Rahmen sie Verwandten und Gefährten zugute kamen, die sie später wieder zurückgeben konnten. Dem Impuls zu helfen war also immer ein gewisser Überlebenswert für die zur Hilfe Bereiten zu eigen.“[41]

Empathie kam vermutlich „erstmals mit der elterlichen Fürsorge auf beim Füttern und Schützen verwundbarer Individuen. Bei vielen Tieren erstrecken sich solche Reaktionen jedoch weit über diesen Bereich hinaus bis in Beziehungen zwischen nicht miteinander verwandten Erwachsenen hinein.“[42]

“Doch wie so oft wurde der Impuls von den Konsequenzen, die seine Ausbildung begünstigten losgelöst. Das erlaubte seinen Ausdruck auch dann, wenn seine Rückzahlung unwahrscheinlich war, wenn etwa Fremde die Nutzniesser waren. Dies rückt den Altruismus unter Tieren unter Tieren viel näher an den unter Menschen, als man in er Regel glaubt.“[43]

Der Soziobiologe Edward Wilson hat daher vorgeschlagen, die Ethik vorübergehend den Philosophen zu entziehen.[44]

„Wir scheinen gegenwärtig in diesem Prozess zu sein,“ meint De Waal, „und zwar nicht, indem wir die Philosophen beiseiteschieben, sondern indem wir sie einschliessen, um die evolutionäre Basis der menschlichen Moral unter einer ganzen Reihe von fachlichen Gesichtspunkten zu erhellen.“[45]
„Nicht ob Tiere nett zueinander sind, ist hier die Frage; es kommt auch nicht darauf an, ob ihr Verhalten zu unseren moralischen Präferenzen passt oder nicht. Die relevante Frage lautet vielmehr, ob sie die Befähigung zu Reziproziät und Vergeltung haben, zur Durchsetzung sozialer Regeln, zur Beilegung von Streitereien, ob sie Sympathie und Empathie empfinden können (Flack & de Waal 2000).“[46]

 

Edward Westermarck (1862-1939, schwedisch finnischer Anthropologe) vertrat als erster eine integrierte Sicht, die Menschen, Tiere, Kultur und Evolution umschloss. Er hob damit den alten abendländischen Dualismus von Körper versus Geist und Kultur versus Instinkte auf.[47] Westermarck versteht unter retributiven Emotionen zeitlich versetze (1) Racheakte, aber auch (2) Positives wie Dankbarkeit und die Erwiderung von Wohltaten unter Menschen und Tieren. Die retributiven Emotionen sind für Westermarck die Eckpfeiler der Moral. Damit nimmt er die heutige Diskussion über evolutionäre Ethik vorweg.[48] Und er ist damit „Teil einer langen Tradition, die bis zu Aristoteles[49] und Thomas von Aquin[50] zurückreicht und die Moral fest in den natürlichen Neigungen und Sehnsüchten unserer Spezies verankert hatte (Arnhart 1998, 1999).“[51] Westermarck fasst zusammen, was Philosophen vor ihm – vor allem David Hume – „moralische Empfindungen“ nannten. Er unterteilt die retributiven Emotionen in die, (1) die sich aus Unmut und Wut herleiten und Rache und Bestrafung suchen, und (2) die positiv und prosozial (Vergebung und Hinhalten der anderen Backe) sind. Er nennt es „mitfühlende Missbilligung“, wenn man einen anderen vor Aggressionen Dritter schützt. Damit impliziert er, dass solches Verhalten auf Identifikation und Empathie beruht, was im Tierreich weit verbreitet ist. Mit dem „Begehren durch Lust für Lust zu danken“, nimmt Westermarck teilweise vorweg, was wir heute reziproken Altruismus nennen. Vieles von der zeitgenössischen Forschung wird von Westermarck vorweggenommen. Westermarck definiert, dass eine moralische Empfindung sich durch „Uninteressiertheit, augenscheinliche Unparteilichkeit und einen Anstrich von allgemeiner Verbreitung“[52] von anderen Emotionen unterscheidet.

Gefühle wie Dankbarkeit betreffen die eigenen Interessen und sind daher zu egozentrisch, um moralisch zu sein.

„Moralische Empfindungen sollten von der eigenen unmittelbaren Situation losgelöst sein: Sie haben mit Gut und Böse auf abstrakter, nicht eigennütziger Ebene zu tun. Erst wenn wir allgemeine Aussagen darüber machen, wie jeder behandelt werden sollte, können wir damit anfangen, von moralischer Zustimmung oder Ablehnung zu reden. Auf diesem spezifischen Gebiet, das so trefflich von Smiths ´unparteiischem Beobachter´ (1795) symbolisiert wurde, scheinen Menschen radikal weiterzugehen als andere Primaten.“[53]

Frans de Waal: Emotionen unterstützen das Denken. Neurowissenschaftler haben gezeigt, dass wir rein rational keine Urteile fällen oder Überzeugungen gewinnen können, wenn wir nicht emotional gewichten können (Damasio 1994). „Das ist bei der moralischen Willensbildung entscheidend, denn wenn überhaupt etwas, dann hat moralisches Verhalten etwas mit festen Überzeugungen zu tun. Zu solchen Überzeugungen kommt man nicht – oder besser: kann man nicht kommen – durch kühle Rationalität; sie erfordern die Sorge um andere und mächtige ´Bauchgefühle´, was richtig und was falsch ist.“[54] Empathie und Reziprozität sind die wichtigsten Bausteine der Moral (de Wal 1996; Flack & de Waal 2000).

„Eine moralische menschliche Gesellschaft ist ohne reziproken Austausch oder emotionales Interesse aneinander einfach nicht denkbar. Damit bietet sich ein konkreter Ausgangspunkt, um die Kontinuität zu untersuchen, die Darwin sich vorstellte. Die Debatte um die Fassadentheorie ist in diesem Zusammenhang von grundlegender Bedeutung, denn einige Evolutionsbiologen sind dezidiert von der Idee der Kontinuität abgerückt, indem sie Moralität als derart trickreiche Heuchelei hingestellt haben, dass nur eine einzige Spezies – nämlich die unsere – dazu in der Lage ist. Diese Ansicht basiert nicht auf Fakten und versperrt uns als solche eine umfassende Einsicht, wie wir moralisch wurden … . Ich habe die Absicht, hier durch die Präsentation wirklicher empirischer Daten die Dinge ins rechte Licht zu rücken.“[55]

 

 

Empathie bei Tieren

 

„Die Evolution wirft kaum etwas weg. … ´Vererbung mit Modifikation´ hatte Darwin das genannt.“[56] Aber: „Psychologen heben manchmal unsere am weitesten fortgeschrittenen Eigenschaften auf ein Podest und ignorieren oder leugnen gar simplere Vorläufer. Sie halten also einen sprunghaften Wandel für möglich … “[57] Zum Beispiel: Pinker 1994; Tomasello 1999.  In der Phylogenese wie in der Ontogenese stammen „fortgeschrittenere aus elementaren Formen der Empathie … und ich werde hier darlegen, dass die Empathie die ursprüngliche, vorsprachliche Form der interindividuellen Verbindung ist, zu der es erst sekundär unter dem Einfluss von Sprache und Kultur gekommen ist.“[58]

Empathie hat sich naturgeschichtlich „zunächst m Rahmen der elterlichen Sorge um die Nachkommen entwickelt (Eibl-Eibesfeld 1970; McLean 1985). [59] Bei allen Primaten „zwingen“ Säuglinge mittels Lachen und Weinen die Erwachsenen zur Pflege. Das sichert das Überleben. (Bowlby 1958; de Waal 1982) Empathie (1) bildet sich früh im Leben aus (Hoffmann 1975; Zahn-Waxler & Radke-Yarrow 1990); (2) hat viele neuronale und physiologische Korrelate(Adolphs et al. 1994; Rimm-Kaufmann & Kagan 1996; Decety & Chaminade 2003); (3) hat viele genetische Substrate(Plomin et al. 1993). De Waal will die Kontinuität zwischen anderen Säugetieren und dem Menschen betreffend Empathie-Fähigkeit zeigen. „Dass Empathie und Sympathie auch bei anderen Tieren möglich sind, wurde jedoch grösstenteils ignoriert. Teils liegt das an einer übergrossen Angst vor Anthropomorphismus, die die Erforschung tierischer Emotionen lähmt (Panksepp 1998; de Waal 1999, Anhang A), teils daran, dass Biologen die natürliche Welt einseitig als einen Ort des Kampfs hinstellten und nicht der sozialen Bindungen.“ [60]

 

Was ist Empathie?

„Soziale Tiere müssen Aktionen und Positionen koordinieren, kollektiv auf Gefahren reagieren, sich über Nahrungs- und Wasservorkommen verständigen sowie Hilfsbedürftigen beistehen.“[61] Eine einfache Form davon ist die „reflexartige Transmission von Angst“,[62] zum Beispiel in einem fliehenden Vogelschwarm. „Der Selektionsdruck, auf die anderen zu achten, muss enorm gewesen sein.“[63] Höhere Formen er Verständigung sind: Angst von Affen beim Winseln der Nachkommen und das Einschätzen der Gründe für das Missbehagen des Kleinen sowie der Versuch, die Lage zu entschärfen. Primaten helfen sich einander im Kampf, trösten den Angegriffenen, reagieren auf das Leiden anderer. „Faktisch ist, glaubt man, so gut wie alle Kommunikation unter Nichtmenschlichen Primaten emotional vermittelt.“ [64]Sowohl bei Menschen (Ekman 1982) als auch bei Tier- und Menschenaffen (van Hoff 1967) spielen Gefühle für den Gesichtsausdruck eine herausragende Rolle.[65]

Löst ein emotionale Zustand eines Individuums einen entsprechenden oder sehr ähnlichen bei einem anderen auslöst, sprechen wir von „emotionaler Ansteckung“ oder „Übertragung“ (Hatfield et al. 1993).[66] Dieser Gefühlsaustausch geschieht auch wechselseitig. „Emotinale und motivationale Zustände manifestieren sich oft in einem Verhalten, das spezifisch auf einen Partner abzielt. Der emotionale Effekt beim anderen ist also keine Nebenprodukt, sondern wird aktiv herbeigeführt.“[67]

„Mit zunehmender Differenzierung zwischen dem Selbst und dem Anderen und mit immer besserem Wissen um die genauen Bedingungen, die den Gefühlszuständen anderer zugrunde liegen, entwickelt sich die emotionale ´Ansteckung´ zu Empathie weiter. Empathie schliesst die Übertragung von Emotionen ein – hätte sich ohne sie vielleicht nicht entwickeln können –, geht aber insofern über sie hinaus, als sie Filter zwischen dem eigenen Gefühlszustand und dem des anderen einbaut. Menschen fangen im Alter on ungefähr zwei Jahren damit an, diese kognitiven Schichten hinzuzufügen (Eisenberg & Strayer 1987).“ [68]

Sympathie ist Trauer oder Sorge um einen Leidenden/Bedürftigen, aber nicht aus denselben Gefühlen, die der Leidende/Bedürftige empfindet. Sie bewirkt eine auf andere gerichtete altruistische Motivation.

Selbstmitleid verläuft auf dem Niveau der emotionalen Ansteckung, will das eigene lindern, das dem beim anderen beobachteten Leid ähnelt. Dem Selbstmitleid fehlen die kognitive Bewertung und ein komplementäres Verhalten, was die Sympathie auszeichnet.

Die allerneuesten Lehrbücher über Kognition bei Tieren kennen Empathie oder Sympathie gar nicht. Das ist Ausdruck einer Wissenschaft, die sich traditionell auf individuelle und nicht auf inter-individuelle Fähigkeiten konzentriert. Fähigkeiten gelten ihr als hohe Leistung, ohne zu fragen, wie damit umgegangen wird.

Das Überlebend hängt jedoch oft davon ab, wie sich Tiere in der Gruppe verhalten, und zwar kooperativ als auch konkurrenzierend. „Kognitive Spitzenlistungen sollte man also im sozialen Bereich erwarten. Die Selektion muss Mechanismen begünstigt haben, die es ermöglichen, die emotionalen Zustände anderer  zu bewerten und rasch darauf zu reagieren. Die Empathie ist genau so ein Mechanismus.“ [69]

Beim Menschen besteht ein enger Zusammenhang zwischen Sympathie/Empathie und altruistischem/fürsorglichem Handeln. Sympathie entwickelt sich als Trösten anderer bereits ab einem Jahr.[70] Altruistisches/fürsorgliches Verhalten beruht auch bei anderen Tieren, vor allem bei Säugern auf ähnlichen Mechanismen.

„Die bei sozialen Tieren so weit verbreiteten Reaktionen auf die Gefühle anderer wurzeln in den Bindungen an andere und in dem, was Harlow und Harlow (1965) das ´affektive System´ genannt haben.“[71] Emotionale Übertragungen kommen bei einer Reihe von Spezies vor (Preston & de Waal 2002b; de Waal 2003).

Die experimentalpsychologische Literatur der 50er und 60er Jahre setzte „Empathie“ und „Sympathie“ immer in Anführungszeichen, weil es tabu war, Tieren Gefühle zuzusprechen. Church provozierte 1959: Ratten lernten mittels Drücken einer Taste, Futter zu bekommen. Sie hörten aber sofort auf, wenn sie mit dem Hebel einer anderen Ratte, die sie sahen, einen Stromstoss verabreichten!!! Wechkin et al. (1964) und Masserman et al. (1964): Rhesusaffen weigerten sich, mittels Ziehen an einer Kette Nahrung zu verschaffen, wenn sie damit einem Kameraden einen Schock versetzten.[72] Sie hungerten lieber als zu verletzen! Das ist der wohl zwingendste Beweis für Empathie bei Tieraffen. Masserman (1964) zeigte, dass dieses Opfer mit dem eng geknüpften Sozialsystem und den emotionalen Bindungen dieser Affenart zusammenhängt: Die Hemmungen, sich weh zu tun, war unter einander Vertrauten stärker als unter einander Fremden.[73]

Diese frühen Untersuchungen zeigen, wie Tiere versuchen, Leiden anderer zu lindern. Unklar blieb damals, ob spontane Reaktionen auf Leiden anderer erklärt werden können als
a)     Aversion gegen Leiden signalisierendes Verhalten anderer
b)    eigenes Leiden, resultierend aus „emotionalen Ansteckung“
c)     eine echte Motivation zu helfen.

 

Anekdoten zum Thema „In der Haut des anderen stecken“

 

Darstellungen von Empathie und Altruismus bei Primaten: Yerkes (1925), Ladygina-Kohts (1935), Goodall (1990), de Waal (1982, 1996, 1997a). Inhaltsanalyse von Tausenden von Berichten über Empathie bei Primaten von O´Connell (1995): Menschenaffen reagieren auf das Leiden anderer wesentlich komplexer als Tieraffen.[74]

Beispiele: Ladygina-Kohts (1935: 121): Schimpanse lässt sich viel leichter vom Dach locken, wenn sie so tut, als leide sie. Dann kommt er prompt und tröstet sie. Auf Aufforderung, Drohungen, Befehle reagierte er kaum.[75] De Waal (1996, 1997a): Menschenaffen (1) kennen emotionale Verbundenheit, (2) entwickeln ein Verständnis für die Situation eines anderen, (3) können zu einem gewissen Mass den Blickwinkel eines anderen einnehmen. Beispiel der Bonobo-Frau, die einen Star fängt und wieder freilässt. Sie konnte sich in die Lage einer anderen Spezies hineindenken, „womit sie uns eine anthropoide Version jener Ampathiefähigkeit darbot, die Adam Smith (1759:26) in die unvergesslichen Worte gekleidet hatte, sich in der Phantasie ´in den Leidenden hineinversetzen´.“[76] De Waal (1996): Krom, die Tante des 7jährigen Schimpansen Jakie, um den sich Krom früher gekümmert hat, versucht vergeblich einen eingeklemmten Reifen von einer Stange herunterzuholen. Als sie resigniert, holt Jakie, der Krom beobachtet hat, den Reifen herunter und bringt ihn ihr. Jakie hat die geistigen Ziele von Krom erfasst. De Waal (1996, 1999): Die Gorillafrau Binti Jua rettet ein Menschenkind. Warnecken und Tomasello (2006) wiesen zielgerichteten Beistand bei jungen Schimpansen nach. Goodall (1990) beschreibt Schimpansen (von Natur aus Nichtschwimmer), die ihr Leben einsetzen, um ins Wasser gefallene Artgenossen zu retten.[77]

„Solcher ´zielgerichteter Beistand´ ist typisch für Menschenaffen, kommt bei anderen Tieren aber nur selten bis gar nicht vor. Man definiert ihn als altruistisches Verhalten, das für spezifische Bedürfnisse anderer in neuartigen Situationen massgeschneidert ist.“ Die einzigen anderen Arten mit einer ähnlich breiten Palette an Hilfsreaktionen sind Delphine und Elefanten.[78]

 

 

Trösten

 

Der Unterschied zwischen Empathie bei Tier- und bei Menschenaffen wurde anhand des Tröstens erforscht. De Waal & van Roosmalen (1979): Trösten ist, „wenn ein Unbeteiligter scheinbar ohne Eigennutz einen an einem vorherigen aggressiven Zwischenfall Beteiligten beruhigt, ihn wieder aufbaut.“ Meist wird der Unterlegene getröstet. De Waal (2000): Trösten ist nicht Versöhnen. Versöhnen ist ein Wiederherstellen ungestörter sozialer Beziehungen und geschieht meist aus Eigeninteresse. „Welchen Vorteil der Tröstende von dem Vorgang hat, ist nach wie vor völlig unklar.“[79]

De Waal & van Roosmalen (1979); de Waal & Aureli (1996) wiesen für Schimpansen nach, dass beim Trösten die Unbeteiligten tatsächlich das Ziel hatten, das Leiden der am Konflikt Beteiligten zu lindern, denn es wurden die Opfer häufiger getröstet als die Aggressoren. Bislang konnte Trösten nur für grosse Menschenaffen nachgewiesen werden. De Waal & Aureli (Watts 2000) fanden bei Makaken kein Trösten. Man hatte aber schon für eine Art nach der anderen Versöhnungsriten nachweisen können. Warum also das Trösten nur bei den grossen Menschenaffen?[80]

„Um zu begreifen, dass die Quelle der nachempfundenen Erregung nicht man selbst, sondern der andere ist, und um die Gründe für den Zustand des anderen zu verstehen, braucht man eine klare Differenzierung zwischen dem Selbst und dem anderen.“ Gallup (1982) vermutete daher, dass kognitive Empathie von Vorgängen wie Selbsterkennen im Spiegel (MSR) abhängt. Bestätigt wurde diese Annahme durch (1) Korrelation zwischen dem Auftauchen der MSR bei Kindern (Bischof Köhler 1988; Zahn-Waxler et al. 1992), (2) Auftreten von komplexem Helfen und Trösten bei Hominiden, aber nicht bei Tieraffen. Hominiden sind als einzige zu MSR fähig. [81]

Kognitive Empathie drückt sich im Trösten und im zielgerichteten Beistand (altruistisches Verhalten) aus. Solches Verhalten erfordert ein Verständnis der Notlage des anderen. Delphine sind zu zielgerichtetem Beistand fähig und man weiss heute, dass sie zu MSR imstande sind. Das stützt die Vermutung, „dass es zwischen einem gesteigerten Bewusstsein seiner selbst einerseits und kognitiver Empathie andererseits einen Zusammenhang gibt.“ [82]

 

 

Das Matroschka-Modell

 

Früher hat man Empathie als Sache der Kognition betrachtet. Manche vermuteten, Menschenaffen (und erst recht andere auch) hätte keine Empathie. Damit setzt man Empathie mit Menschsein gleich und mit ToM(Theory of Mind)-haben-können.

Autistische Kinder: Früher glaubte man, ein Kind werde Autist, weil/wenn es im Alter von vier Jahren keine ToM entwickelt. Aber: Baron-Cohen zeigte (2000), dass der Autismus sich schon vor dem vierten Lebensjahr entwickelt. Williams et al. (2001) zeigten, dass das Hauptmangel des Autisten früher entsteht, und zwar schon im sozio-affektiver Bereicht, was sich später dann negativ auf die Entwicklung interpersoneller Wahrnehmungen wie ToM auswirkt.[83]

Preston & van Waal (2002a) vermuten im Zentrum der empathischen Fähigkeiten den Perzeptions-Aktions-Mechanismus(PAM). Das ist die Fähigkeit, mit der ein Subjekt sich

„mittels der eigenen neuronalen und körperlichen Repräsentationen … Zugang zum emotionalen Status quo eines anderen … verschafft. Wenn das Subjekt seine Aufmerksamkeit auf den Zustand des Objekts lenkt, werden beim Subjekt dessen neuronale Repräsentationen ähnlicher Zustände automatisch aktiviert. Je näher und ähnlicher sich Subjekt und Objekt sind, umso leichter fällt es der Perzeption des Subjekts, motorische und autonome Reaktionen zu aktivieren, die denen des Objekts entsprechen (z. B. Pulsfrequenz, Hautwiderstand, Gesichtsausdruck, Körperhaltung). Diese Aktivierung erlaubt es dem Subjekt, sich wie ´in der Haut des anderen´ zu fühlen, dieselben Empfindungen und Bedürfnisse zu haben, und diese Verkörperung fördert wiederum Sympathie, Mitleid und Hilfsbereitschaft. Der Perzeptions-Aktions-Mechanismus (PAM) … passt genau zu Damasios (1994) Emotionen-Hypothese von den ´somatischen Markern´ wie jüngere Beweise für einen Zusammenhang von Perzeption und Aktion auf zellularer Ebene (z. B. ´Spiegleneuronen´. di Pelegrino et al. 1992).“[84]

Dass Perzeption (Wahrnehmung) und Aktion (Handlung) sich Repräsentationen teilen ist kein neuer Gedanke. Er reicht zurück bis zur „ersten Abhandlung über die ´Einfühlung´ zurück, wie Empathie zunächst in der deutschen Literatur genannt wurde … Als [Theodor] Lipps (1903) über ´Einfühlung´ schrieb, meinte er damit eine Art ´innere Nachahmung´ der Gefühle anderer, die ungefähr genauso funktioniert wie der PAM.“[85] Auf dieser Stufe sei Empathie ein „unfreiwilligerer Routineprozess“: Zum Beispiel reagieren die eigenen Gesichtszüge bewusst und unbewusst auf Gesichtszüge anderer. Wenn man Empathie nur als kognitiven Prozess darstellt, vernachlässigt man solche „instinktiven Reaktionen“. Sie erfolgen so rasch, dass sie nicht bewusst gesteuert werden können.[86]

Man weiss, „dass sowohl am Beobachten als auch am Erleben von Emotionen gemeinsame physiologische Substrate beteiligt sind; den Abscheu oder die Schmerzen eines anderen zu sehen ist ganz ähnlich, wie selbst Schmerzen oder Abscheu zu empfinden (Adolphs et al. 1997, 2000; Wicker et al. 2003). Auch ruft die affektive Kommunikation änliche physiologische Zustände beim Subjekt und beim Objekt hervor (Dimberg 1982, 1990; Levenson & Reuf 1992).“[87]

Kurz gesagt, „menschliche physiologische und neuronale Aktivität findet nicht auf einer Insel statt, sondern hängt aufs intimste mit den Mitmenschen zusammen und wird von jenen beeinflusst. Jüngere Untersuchungen der neuronalen Basis von Empathie sprechen deutlich für die Annahme eines PAM (Carr et al. 2003; Singer et al. 2004; de Gelder et al. 2004).“[88]

 

 

Matroschka-Modell

 

Innere Schicht                               emotionale Übertragung: automatische Beeinflussung
Mittlere Schicht                            kognitive Empathie: die Emotionen eines anderen und dessen Gründe dafür einschätzen
Äussere Schicht                            Attribution: die Perspektive eines anderen in vollem Umfang einnehmen

Empathie umfasst „alle Möglichkeiten, wie ein emotionaler Zustand des einen Individuums den eines anderen beeinflussen kann, wobei grundlegende Mechanismen den Kern bilden und höher entwickelte Mechanismen sowie kognitive Schichten die äusseren Schichten“. … höhere kognitive Ebenen von Empathie … bauen auf dieser stabilen, festverdrahteten Basis auf, ohne die wir völlig ahnungslos wären, was andere bewegt. … nicht alle Empathie lässt sich auf emotionale Übertragung reduzieren, daran vorbei kommt sie aber nie. Im Zentrum der russischen Puppe finden wir einen PAM-induzierten emotionalen Zustand, der mit dem Zustand des Objekts korrespondiert. In einer zweiten Schicht taxiert kognitive Empathie die Lage oder Zwangslage des anderen (vgl. de Waal 1996). Das Subjekt reagiert nicht nur auf die vom Objekt ausgehenden Signale, sondern versucht die Gründe für diese Signale zu begreifen, es sucht nach Hinweisen im Verhalten und in der Situation des anderen. Kognitive Empathie macht es möglich, zielgerichteten Beistand zu leisten, der die spezifischen Bedürfnisse des anderen berücksichtigt … . Diese Reaktionen gehen weit über emotionale Übertragung hinaus, wären jedoch ohne die von der emotionalen Komponente gelieferte Motivation nur schwer erklärlich.“[89]

 

 

Reziprozität und Fairness

 

Die Dankbarkeit der Schimpansen

 

Schimpansen und Kapuzineraffen sind die wenigen Primaten, die ausserhalb der Mutter-Kind-Beziehung Nahrung teilen.[90] Bei ihnen ist der kognitiv fortgeschrittenste „reziproke Altruismus“ zu beobachten: Schimpansen erinnerten sich im Experiment an denjenigen, der ihnen zuvor Gutes getan hatte (groomen), und teilten mit diesem mehr die Nahrung. Aggressive Proteste von Nahrungsbesitzern gegen näher Kommende richteten sich häufiger gegen jene, von denen der Nahrungsbesitzer nicht gegroomt worden war als gegen vohergegangene Groomingpartner. … Unsere Daten weisen deutlich auf einen gedächtnisgestützten Vorgang hin.“ Zwischen den Wohltaten verstrich ein bis anderthalb Stunden. Bei Menschen nennen wir das Dankbarkeit. „Westermarck (1906) hatte sie als eine der ´retributiv freundlichen Emotionen´ kategorisiert, die ihm unverzichtbar für die menschliche Moralität galten.“[91]

 

Die Fairness der Kapuziner

 

De Waal nimmt an, dass sich unter den Primaten im Laufe der Evolution ein „Sinn für soziale Regelhaftigkeit“ entwickelt habe: „eine Reihe von Erwartungen hinsichtlich der Art und Weise, wie man selber (oder andere) behandelt werden und wie Nahrung geteilt werden sollte. Sobald die Wirklichkeit zum eigenen Nachteil (oder dem des anderen) abweicht, hat dies eine negative Reaktion zur Folge, meistens in Form eines Protests der Untergeordneten oder einer Bestrafung durch Dominante.“ (de Waal 1996:122) Wichtig dabei ist, dass die Erwartungen davon abhängen, wie der Sozialverband der betreffenden Art strukturiert ist. Ein Rhesusaffe erwartet nicht, dass ein Dominanterer die Nahrung mit ihm teilt, weil er in einem stärker hierarchisch gegliederten Sozialsystem lebt. Ein Schimpanse dagegen bettelt, winselt, wird wütend, wenn er nichts abbekommt. Dies näher zu erforschen, hält er für wichtig, denn hier rückt das Verhalten von Tieren am ehesten in die Nähe von „Sollwerten“, wie wir sie aus der Moral kennen. [92]

Experiment mit Kapuzineräffchen: In Zweiergruppen eingeteilt und Reaktionen gemessen, (1) wenn beide die gleiche geringe Belohnung bekamen, (2) wenn ein Partner beim gleichen Tausch besser belohnt wurde, (3) wenn der Partner eine höherwertige Belohung umsonst bekam, (4) hohe Belohung ist zu sehen, wird aber an beide nicht verteilt. Ergebnisse: test (1): Beide verweigern danach tendentiell die Mitarbeit. Test (2): Die Benachteiligten verweigerten und ignorierten die „geringe“ Belohnung oder warfen sie zum Käfig hinaus. Danach verweigerten sie die Mitarbeit, aber stärker als bei Test (1). Test (3): die Verweigerung der Benachteiligten war danach noch höher als bei Test (2). [93]

De Wal: Arten mit hochentwickelter Kooperation (wie die Kapuzineraffen) hegen möglicherweise emotional besetze Erwartungshaltungen, die sie dazu bringen, Ungleichheit abzulehnen. Man muss aber, ehe man in diesem Zusammenhang von Gerechtigkeit redet, auf den Unterschied zwischen der Fairness des Kapuzineraffens und dem voll ausgebildeten menschlichen Gerechtigkeitssinn hinweisen: „Ein vol ausgebildeter Gerechtigkeitssinn hätte zur Folge, dass der ´reiche´ Tieraffe mit dem ´armen´ teilt, denn er sollte meinen, er hätte ein Übermass an Kompensation abbekommen.“ Die Fairness des Kapuziners war egozentrisch: Es ging nur um Erwartungen, wie er selbst behandelt werden wollte, nicht wie auch die anderen um ihn herum behandelt werden sollten. Ein voll ausgebildeter Gerechtigkeitssinn muss aber irgendwoher entstanden sein. Das Selbst ist der logische Ort, wo er evolutionär entstanden sein muss. „Wenn es die ich-bezogene Form einmal gibt, kann sie ausgebaut werden, dass sie andere Individuen mit einschliesst.“[94]

 

 

Menzius und der Vorrang des Affekts

 

Westermarcks retributive Emotionen erinnern an die Reziprozität, die Konfuzius als Massregel für das ganze Leben vorschlug. Reziprozität ist nach de Waal der Kern der goldenen Sittenregel (Was du nicht willst, was man dir tu, as füg auch keinem andern zu.) [eine vereinfachte Form des Kategorischen Imperativs von Immanuel Kant (Handle stets so, als ob die Maxime deines Handelns zur Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung werden könnte.)], die als Zusammenfassung menschlicher Moralität unübertroffen ist. Man darf vermuten, so de Waal, dass moralisches Verhalten ein „Teil der menschlichen Natur ist“, weil die Psychologie der goldenen Regel – zusammen mir der erforderlichen Empathie – ein Stück weit auch in anderen Tierarten zu finden ist. Menzius (Mengzi) (372-289) war ein Schüler des Konfuzius. Er wird in China der „zweite Weise“ genannt, weil nur er an Konfuzius heranreichte. Menzius wies die Herrschenden auf ihre Pflicht hin, für das gemeine Volk zu sorgen.[95]

Wenn man den Menschen Schaden zufügen muss, um sie moralisch zu machen, dann werden die Menschen bald einmal Moral für ein grosses Unglück halten, sagte Menzius. Das erinnert an die heutige Auseinandersetzung mit Huxley. Menzius sagte, der Mensch sei „auf dieselbe Art von Natur aus gut, wie das Wasser bergab fliesst. … alle Menschen (haben) einen Geist, der es nicht aushält, andere leiden zu sehen … Wenn Menschen plötzlich ein Kind sehen, das in einen Brunnen zu fallen droht, werden sie ausnahmslos Angst und Sorge fühlen … nicht weil sie damit … Gunst … gewinnen, … nicht weil sie … Lobpreis … ernten, und auch nicht, weil sie nicht in den Ruf geraten möchten, von solch einem Ereignis nicht angerührt zu sein. … (Menzius o. J. [372-289 v. Chr.]: 78)“[96]

Das zentrale Thema einer natürlichen Moralentstehung ist: Leid, das wir angesichts des Leids anderer empfinden, ist ein Impuls, den wir kaum oder gar nicht kontrollieren können: „Es überkommt uns … wie ein Reflex, ohne dass wir Zeit hätten, das pro und Kontra abzuwägen.“ Westermarcks Frage („Können wir umhin, für unsere Freunde Mitgefühl zu haben?“), Adam Smiths Feststellung („Wie selbstsüchtig der Mensch auch immer eingeschätzt wird, …“) und das Beispiel von Menzius („ …alle Menschen (haben) einen Geist, der es nicht aushält, andere leiden zu sehen …“) „zielen auf einen unfreiwilligen Prozess wie den PAM ab.“ Was Menzius an „Gegenargumenten“ zu seiner These von der natürlichen Grundlage der Moral anführt [(1) Gunst gewinnen, (2) Lobpreis ernten, (3) nicht in den Ruf geraten, von Leid nicht angerührt zu sein], taucht interessanterweise in der „neueren“ Literatur unter dem Stichwort „Reputationsaufbau“ wieder auf! In dem Moment, wo das Kind im og. Beispiel in Gefahr ist, sagt Menzius, wirke der „Geist, der es nicht aushält“ in uns unbedingt. Zu anderen Zeiten seien jedoch durchaus Manipulationen der öffentlichen Meinung möglich.[97]

„Dem kann ich nur zustimmen, die Evolution hat Spezies hervorgebracht, die genuin kooperativen Impulsen folgen. …(es) gibt eine Fülle von Literatur über menschliche Empathie und Sympathie, die im allgemeinen Menzius´ Einschätzung beipflichten, dass in dieser Hinsicht die Impulse zuerst da sind und die Rationalisierungen später kommen (z. B Batson 1990; Wispé 1991).“ [98]

 

 

Gemeinschaftssinn

 

Zwei Schulen über das Gute im Menschen werden hier diskutiert:

  1. Fassadentheorien: Der Mensch ist von Natur aus bösartig und selbstsüchtig. Moral ist eine kulturelle Fassade. (zum Beispiel T. H. Huxley) Sie ist heute immer noch recht lebendig, auch wenn Fassadentheoretiker sich nicht gerne als solche bezeichnen lassen. Die Fassadentheorie kann nicht erklären, wie wir uns in der Naturgeschichte von amoralischen Tieren zu moralischen Menschen entwickelt haben sollen.[99] [100] Die Fassadentheorie „passt nicht zur Beweislage, dass emotionale Prozesse die Triebfeder hinter moralischen Urteilen sind. Könnte man menschliche Moral wahrhaftig auf Vernunft und Kalkül reduzieren, stünden wir alle in der Tat an der Schwelle zum Psychopathen, der nicht nett sein will, wenn er sich nett verhält. Die meisten hoffen doch, etwas besser zu sein als so einer, und vielleicht liegt hier auch der Grund für die Aversion gegen meinen Schwarzweisskontrast zwischen der Fassadentheorie und der alternativen Schule, die moralisches Verhalten in der Natur verwurzelt sehen will.“[101]
  2. Alternative Schule: Moralisches Verhalten ist in der Natur verwurzelt. Moralisches Verhalten entstand natürlich in der menschlichen Spezies. Es gibt „vernünftige evolutionäre Gründe“ für die dazugehörigen Fähigkeiten.[102]

Die „Rahmentheorie“, die den Übergang vom sozialen Tier zum moralischen Menschen vollständig erklärt, besteht bisher nur aus „Bruchstücken und Bauteinen“. Die Basis bilden die „Verwandtenselektion“ und der „reziproke Altruismus“. Es müssen noch andere Bausteine hinzukommen. Eine umfassende Literatur über „Reputationsaufbau“, „Gerechtigkeitsprinzipien“, „Empathie“ und Konfliktlösung“ zeichnet eine „vielversprechende Tendenz in Richtung einer stärker integrierten Theorie ab, wie es zur Moralität gekommen sein mag (vgl. Katz 2000).“[103]

Der für die Ausbildung moralischer Tendenzen verantwortliche Evolutionsdruck muss nicht nett und positiv gewesen sein.[104] Moralisches Verhalten sei „zu weiten Teilen ein gruppenspezifisches Phänomen. Menschen behandeln Fremde generell viel schlechter als Mitglieder ihrer eigenen Gemeinschaft: [105] de facto scheinen moralische Regeln für Aussenstehende kaum zu gelten.[106] … Moralisches Handeln entwickelte sich vermutlich gemeinsam mit anderen gruppenspezifischen Kapazitäten wie Konfliktlösung, Kooperation und Teilen als gruppeninternes Phänomen.“[107]

Die sich ausweitende menschliche Moral ist eine schwimmende Pyramide:

 

 

 

 

 

 

 

 

„Je weiter wir uns von der unmittelbaren Familie oder Verwandtschaft entfernen, desto seltener stossen wir auf Altruismus. Seine Reichweite hängt davon von den zur Verfügung stehenden Ressourcen ab bzw. Davon, was wir uns leisten können; die Auftriebskraft der Pyramide bestimmte, wie viel davon aus dem Wasser ragt. Die moralische Einbeziehung äusserer Kreise wird durch Verpflichtungen gegenüber den inneren eingeschränkt. Aus de Waal 1996: 262.“[108]

„Der grösste Schritt in der Evolution der menschlichen Moralität bestand dann darin, statt interpersonaler Beziehungen das Grosse und Ganze in den Brennpunkt zu rücken. Bei Menschenaffen können wir Anfänge davon beobachten, wenn sie die Beziehungen zwischen anderen geschmeidig gestalten. So bringen etwa weibliche Tiere nach einem Streit die daran beteiligten Männer wieder zusammen, um eine Versöhnung einzuleiten, und hochrangige Männer beenden auf unparteiische Weise einen Kampf zwischen anderen , um den Frieden in der Gruppe zu wahren. In solchem Verhalten spiegelt sich für mich die »Sorge um die Gemeinschaft« (de Waal 1006),[109] welche wiederum reflektiert, welches Interesse jedes Gruppenmitglied  an einer kooperativen Atmosphäre hat. Die meisten Individuen würden viel verlieren, wenn die Gruppe auseinanderfiele, daher sind ihnen Integrität und Harmonie wichtig.“[110]

Boehm (1999) betont dabei die Rolle des sozialen Drucks: „Die gesamte Gemeinschaft funktioniert so, dass ein die Gruppe fördernde Verhalten belohnt und ein die Gruppe schädigendes Verhalten bestraft wird.“[111] [112]

„Am meisten wird ein Gemeinschaftsgefühl natürlich durch einen gemeinsam äusseren Feind gestärkt. Er zwingt Elemente zur Einmütigkeit, die sonst nicht miteinander auskommen. … Im Verlauf der menschlichen Evolution verstärkte der Zusammenhalt gegen gruppenfremde Feinde die Solidarität innerhalb der Gruppe so sehr, dass sich Moralität auszubilden begann. Statt lediglich die Beziehungen um uns herum zu verbessern, wie Menschenaffen das tun, kennen wir explizit Lehren über den Wert der Gemeinschaft und den Vorrang, den sie vor den individuellen Interessen hat beziehungsweise haben soll. In all diesen Belangen gehen Menschen sehr viel weiter als Menschenaffen (Alexander 187), und deswegen haben wir ganze Moralsysteme und Affen nicht.“[113]

Das Grundthema der Evolution der menschlichen Moral ist für de Waal die Abwehr von Krieg und Schaden:[114]

„Als wir am Scheideweg zwischen konkurrierenden Einzel- und gemeinsamen Interessen standen, erhöhnten wir den sozialen Druck, um sicherzustellen, dass jeder seinen Beitrag zum grossen Ganzen leistet.“[115]

Wenn wir Moralität als die logische Weiterentwicklung kooperativer Tendenzen verstehen,

„dann stellen wir uns nicht gegen unsere eigene Natur, wenn wir einen sorgenden, moralischen Standpunkt einnehmen, genauso wenig wie eine Zivilgesellschaft ein ausser Kontrolle geratener Garten ist, der von einem schwitzenden Gärtner unterdrückt wird, wie Huxley glaubte(1894). Ein moralischer Standpunkt begleitet uns von Anfang an, und der Gärtner ist, wie Dewey es treffend formuliert hatte, eher ein organischer Biobauer. Der erfolgreiche Gärtner schafft Voraussetzungen und führt Pflanzenarten ein, die auf diesem bestimmten Stück Land zwar vielleicht nicht normal sind, »aber den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Natur insgesamt Genüge tun« (Dewey 1898: 109-110). Anders formuliert: Wir halten nicht scheinheilig alle zum Narren, wenn wir uns moralisch verhalten, sondern treffen Entscheidungen, die aus sozialen Instinkten erfolgen, welche älter sind als unsere Spezies, auch wenn wir diese erweitern um die einzigartige menschliche Komplexität der leidenschaftslosen Sorge für andere und für die Gesellschaft als ganze.“[116]

David Hume sah die Vernunft als die Sklavin der Leidenschaft (1739). Haidt (2001) fordert

„eine gründliche Neubewertung der Rolle; Die die Rationalität beim moralischen Urteil spielt … die meisten menschlichen Rechtfertigungen schienen sich erst post hoc zu ergeben, also nachdem die moralische Einschätzung bereits auf der Basis schneller, automatischer Intuitionen erfolgt sei.“[117]

Die Fassadentheorie betont, dass das moralische Problemlösen des Menschen in der Evolution einzigartig sei und dass es in evolutionär jungen Teilen des Gehirns (präfrontaler Kortex) stattfinde. Die Neurowissenschaften zeigen, dass beim moralischen Problemlösen des Menschen

„eine Vielzahl von Hirnarealen daran beteiligt ist, von denen einige extrem alt sind (Green und Haidt 2002). …Die Neurowissenschaften scheinen die Vorstellung zu bestätigen, dass die menschliche Moralität evolutionär im Sozialverhalten von Säugetieren verwurzelt ist. Wir feiern die Rationalität, aber wenn es von allen Seiten Druck gibt, billigen wir ihr kaum Gewicht zu (Macintyre 1999). Das gilt vor allem im Reich der Moral. … die menschliche Moralität ist fest in den sozialen Emotionen verankert, und in deren Zentrum steht die Empathie. Emotionen sind unser Kompass. Wir empfinden starke Hemmungen, Mitglieder unserer eigenen Gemeinschaft zu töten, und unsere moralischen Entscheidungen spiegeln diese Gefühle wider. Aus denselben Gründen lehnen Menschen moralische Lösungen ab, bei denen anderen unmittelbar ein Leid zu gefügt wird (Green und Haidt 2002). Das ist wahrscheinlich der Fall, weil unmittelbare Gewaltanwendung Gegenstand natürlicher Auslese gewesen ist, utilitaristisches Abwägen eher nicht.“[118]
„Noch mehr Unterstützung bekommt die Intuitätshypothese der Moralität aus der Kleinkindforschung. Entwicklungspsychologen glaubten lange, Kinder würden ihre ersten moralischen Entscheidungen aus Angst vor Strafe und dem Streben nach Anerkennung treffen lernen. Ähnlich den Fassadentheoretikern verstanden sie Moral als etwas, das von aussen kommt, das Erwachsene den passiven, von sich aus selbstsüchtigen Kindern aufpfropfen. Sie glaubten, Kinder würden die elterlichen Werte übernehmen und daraus ihr Überich aufbauen: die Moralagentur des Selbst. Sich selbst überlassen, würden Kinder noch nicht einmal in die Nähe von Moralität gelangen.“[119]
„Wir wissen heute jedoch, dass Kinder schon im frühen Alter den Unterschied zwischen moralischen Prinzipien (»Du sollst nicht stehlen«) und kulturellen Konventionen (»Nicht im Schlafanzug in die Schule«) begreifen. Offensichtlich verstehen sie, dass das Brechen bestimmter Regeln anderen Leid und Schaden zufügt, während der Verstoss gegen andere Vorschriften bloss Ewartungshaltungen gegenüber jenem enttäuscht was angemessen ist. Ihre Einstellung scheint keineswegs nur auf Belohnung und Strafe zu basieren. Während viele Pädiatrielehrbücher kleine Kinder noch immer als ichbezogene Monster darstellen, steht mittlerweile fest, dass sie bereits im Alter von einem Jahr spontan andere in deren Leid trösten (Zahn-Waxler et al. 1992) und dass sie schon bald darauf durch Interaktionen mit anderen Mitgliedern ihrer Spezies eine moralische Perspektive auszubilden beginnen (Killen und Nucci 995).“ [120] [121]

Statt die (angeblich) böse Natur des Kindes mit Gewalt moralisch zu machen,

„verlassen wir uns auf das natürliche Wachstum, bei dem einfache Emotionen wie die junger Kinder oder sozialer Tiere sich zu verfeinerten, andere einschliessenden Empfindungen weiterentwickeln, in denen wir die Basis der Moralität erkennen.“[122]

De Waals Kernargument ist die These von der „Kontinuität zwischen den menschlichen Sozialinstinkten und jenen unserer nächsten Verwandten, der Tier- und Menschenaffen“.[123]

De Waals Zukunftsvision: Er „habe das Gefühl, dass wir an der Schwelle eines viel umfassenderen Theoriewandels stehen, an dessen Ende die Moralität fest im moralischen Kern der menschlichen Natur positioniert sein wird.“[124]

„Warum wich die Evolutionsbiologie des letzten Vierteljahrhunderts von diesem Weg ab? Warum galt Moralität als unnatürlich, warum wurden Altruisten als Heuchler hingestellt, und warum wurden die Emotionen aus der Diskussion herausgehalten? Warum die Appelle, sich gegen unsere Natur zu stellen und einer »darwinistischen Welt« zu misstrauen?“[125] [126]

De Waal: Der Irrtum bestand darin,

„ … zu glauben, dass die natürliche Auslese als ein grausamer und gnadenloser Vorgang nur grausame und gnadenlose Kreaturen hervorbringen könne (de Waal 005).[127] … Der Prozess selbst weist nicht den Weg zum Erfolg.“[128]

Die natürliche Auslese

„hat zwar nicht unsere moralischen Werte und Regeln spezifiziert, aber er hat uns die psychische Grundausstattung, die Neigung und die Fähigkeit mitgegeben, um einen Kompass für Lebensentscheidungen auszubilden, der die Interessen der gesamten Gemeinschaft berücksichtigt, und genau das ist der Kern der menschlichen Moralität.“[129]

 

 

[1]   Hanser Verlag. München 2008
[2]   Edward Westermarck, 1906: 15
[3]   Stephen Jay Gould, 1980: 221
[4]   Hobbes 1651: 154
[5]   Eigene Anmerkung: Auch Sigmund Freud hielt – im Gegensatz zu Alfred Adler – das Kind für von Natur aus egozentrisch. Es sei daher zunächst eifersüchtig auf weitere Geschwister und werde erst sozial aus der Einsicht (=Gesellschaftsvertrag), dass der weitere Kampf gegen das Geschwister zu grosse Nachteile bringe und den Egoisten ganz von der Familie entferne. Freud meinte dann auch konsequent die Kultur sei dadurch entstanden, dass (egoistische) Triebenergie in Gemeinschaftshandlungen floss (Aggression  Sport).
[6]   Eigene Anmerkung: Jürgen Habermas schliesst sich hierin an John Rawles an. Er hält Rawls für den Beginn der Moderne, weil Rawls radikal mit dem Prinzip gebrochen habe, dass Politik auf Ethik aufbauen müsse (Aristoteles). Deshalb lehnt Jürgen Habermas das Naturrecht ab.
[7]   Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 22
[8]   Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 22
[9]   Eigene Anmerkung: Im Gegensatz zu Sigmund Freud (siehe oben) ist genau dies die anthropologische Ausgangsbasis von Alfred Adler, Adolf Portmann.
[10] Eigene Anmerkung: Das ist der Ansatz
(1) der personalen philosophischen Anthropologie von Aristoteles  Stoa/Cicero  Thomas von Aquin  Spanische Schule  Las Casas Grotius  Pufendorff  Aufklärung/Menschenrechte  Völkerrecht/Rotes Kreuz  Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und Folgepakte.
(2) Genossenschaftsbewegung/ direkte Demokratie/Schweizer Modell
 Die herrschende Philosophiegeschichte ist falsch geschrieben: Sie hat am Verstand und am Gesellschaftsvertrag orientiert.
[11] Eigene Anmerkung: Das ist die anthropologische Grundlage der Adlerschen Neurosen- und Psychosenlehre. Alle psychischen Störungen resultieren aus einer vergrösserten Distanz zu den Mitmenschen. Der Neurotiker kämpft noch um den Zusammenhang mit der Menschheit und um die Hoffnung, irgendwann einmal ein innvolles Leben mit den Mitmenschen führen zu können. Der Psychotiker hat diese Hoffnung aufgegeben, aber er hat noch seine ursprüngliche soziale Kraft – verborgen und geschützt hinter seinem Wahn und inmitten der zerfallenden Persönlichkeit. Hieran schliessen sich die Neoanalytiker an: Erich Fromm, Frieda Fromm-Reichmann, Karen Horney, Harry Stuck Sullivan, Rene Spitz et al.
[12] Eigene Anmerkung: Das ist die anthropologische Grundlage der Psychosomatischen Medizin: Alfred Adler, Walter B. Cannon, Franz Gabriel Alexander, Thure von Üxküll et al.
[13] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 23
[14] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 22
[15] Eigene Anmerkung: Das Kind ist eben nicht den Eltern „gleich“, ist nicht „Partner“ der Eltern. Als Mensch ist es gleichwertig (in diesem Sinne sind alle Menschen gleich. Gerechtigkeit heisst hier, jedem das Gleiche zu geben), aber von seinem Entwicklungsstand her ist das Kind ungleich den Eltern, noch nicht erwachsen, sondern zu erziehen (in diesem Sinne sind alle Menschen ungleich und verschieden, sind Individuen. Gerechtigkeit heisst hier, jedem das zu geben, was er im Unterschied zu anderen jetzt gerade braucht).
[16] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 22
[17] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 24
[18] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 24
[19] Eigene Anmerkung: Parallele hier zum Konzept der „emotionalen Intelligenz“ von Coleman et al.
[20] Eigene Anmerkung: jedenfalls in den herrschenden Sozial- und Humanwissenschaften
[21] Eigene Anmerkung: solitäres Menschenbild / homo oeconomicus
[22] Eigene Anmerkung: Thomas von Aquin spricht von „inclinationes naturalis“
[23] Eigene Anmerkung: Jetzt versteht man auch, warum die Regierung einen neuen Think Tank ins Leben gerufen hat („Minerva“), der unter anderem die Evolutionsbiologen in den Dienst der US-Kriegspolitik stellt.
[24] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 25
[25] Eigene Anmerkung: Luther zum Beispiel nennt uns „reissende Bestien“
[26] Eigene Anmerkung: Hier fehlt ihm die Linie der personalen philosophischen Anthropologie von der Antike über Scholastik und Aufklärung bis in die katholische Soziallehre, die das Naturrecht hervorgebracht hat und die in die Menschenrechte und das humnitären Völkerrecht mündet.
[27] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 28
[28] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 26
[29] Mayr 1997: 323. In: Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 30
[30] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 31
[31] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 31
[32] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 31
[33] Eigene Anmerkung: Richard Dawkins, der Soziobiologe, spricht explizit vom „selfish gene“ (egoistisches Gen)
[34] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 32
[35] Eigene Hervorhebung
[36] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 32
[37] Eigene Anmerkung: Damit reiht er Darwins Ansatz in die Tradition des „guten“ Menschenbildes ein. Darwin-Kropotkin-Westermarck-De Waal
[38] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 34
[39] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 33
[40] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 33
[41] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 34 (eigene Hervorhebung)
[42] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 33
[43] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 34 (eigene Hervorhebung)
[44] Wilson 1975: 562
[45] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 200
[46] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 35 (Eigene Hervorhebung)
[47] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 35
[48] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 36
[49] Eigene Anmerkung: „zoon echon logon politicon“
[50] Eigene Anmerkung: „inclinationes naturalis“ und „Theologie der Natur“ parallel zur Theologie der Offenbahrung
[51] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 36. Damit schliesst sich de Wal an die philosophische Anthropolgie des Naturrechts an.
[52] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 38
[53] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 39
[54] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 37
Das ist fast wörtlich der anthropologische Ansatz von Hugo Grotius, der das natürlich Recht aus der „Sorge um die Gemeinschaft“ ableitet.
[55] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 39
[56] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 42
[57] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 42
[58] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 42
[59] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 43
[60] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 43
[61] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 43
[62] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 43
[63] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 44
[64] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 44
[65] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 44
[66] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 44
[67] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 45
Eigene Anmerkung: Das entspricht den finalen Betrachtungsweise von Emotionen bei Alfred Adler. Ganz allgemein zeigt das, dass der Mensch ein Gefühls- und Beziehungswesen ist.
[68] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 45
[69] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 46
Eigene Anmerkung: passt genau zur Grundlage der Psychosomatik: Bereitschaftsreaktion (fight-or-flight-Reaktion) als angeborenes Schutzreaktion.
[70] Also parallel nach Verlassen des „sozialen Uterus“(Portmann), wenn sich Sprechen, Aufrecht-stehen, und Denken zu entwickeln beginnen (Portmann) und die Menschenjungen die verkleinerte Erwachsenengestalt erreicht haben, jenen Zustand, den die dem Menschen näheren Säuger bei Geburt haben.
[71] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 47
[72] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 47
[73] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 48
[74] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 48
[75] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 48f
[76] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 49f
[77] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 50f
[78] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 51f
[79] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 52
Eigene Anmerkung: Wieso sagt er das so?
[80] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 54
[81] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 55
[82] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 55
[83] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 56
[84] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 56f
[85] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 57
Eigene Anmerkung: Dazu passt das anthropologische Konzept des Adlerschen Gemeinschaftsgefühls. „mit den Augen des anderen sehen, mit den Ohren des anderen hören und mit dem Gefühl des anderen fühlen.“
[86] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 57
[87] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 57
[88] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 58
[89] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 58
[90] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 62
[91] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 63
[92] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 64
[93] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 66
[94] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 68
[95] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 69
[96] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 70f
[97] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 71
Eigene Anmerkung: Menzius nahm also ahnend vorweg, dass es sich bei der Moral um eine natürliche Disposition handelte, die geformt werden kann/muss.
[98] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 71f
[99] Abgesehen von „puristisch rationalen modernen Hobbesianern“ wie Gauthier (1986)
[100] Eigene Anmerkung: Hier Geist/Moral/Seele als „Quereinsteiger“ der Evolution anzunehmen, hätte selbst Thomas von Aquin verneint, denn es muss nach ihm möglich sein, sowohl über die Offenbahrungstheologie als auch über die „Theologie der Natur“ zur Grundlage der Moral zu kommen. Das liegt seiner Meinung nach daran, dass Gott die ganze Natur erschaffen hat ‑ und nicht die halbe! Man kann den Weg zur Moral daher auch gehen, ohne eine Schöpfung anzunehmen. Allerdings muss man die Gesetze der „Schöpfung“/Natur akzeptieren. Wer das nicht tut, leidet/schadet/stirbt. Das ist die naturrechtliche Ausgangsbasis der Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts, der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und ihrer Folgepakte usw.
[101] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 72
[102] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 72
[103] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 72
[104] Eigene Anmerkung: Das steht im Einklang mit der Menschenrechtsethik: Leben/Handeln im Gegensatz zur Natur schadet. Leben/Handeln im Einklang mit der Natur nützt/schützt.
[105] Bezieht sich auf die Theorie der „kin selection“ / Verwandtenselektion
[106] Eigene Hervorhebung. „de facto“ meint den historisch gegebenen kulturellen Zustand.
[107] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 73
[108] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 183
[109] Eigene Anmerkung: Hugo Grotius leitet in Vom Recht des Krieges und des Friedens. [De jure belli ac pacis. Paris 1625. Neuer deutscher Text und Einleitung von Dr. W. Schätzel. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). Tübingen 1950] das Naturrecht aus der „Sorge um Gemeinschaft“ ab:
Der erwachsene Mensch kann sprechen und hat gelernt, seine Vernunft zu gebrauchen. Der starke gesellige Trieb wird bei ihm durch Vernunft gesteuert. Unter ihrer Leitung kann der Mensch allgemeine Regel der “Sorge für die Gemeinschaft” erfassen, niederlegen und danach handeln. “Alles, was hiermit zusammenhängt, hat der Mensch nicht mehr mit allen anderen Geschöpfen gemeinsam, sondern ist Eigenart der menschlichen Natur.” Das alles macht also die Sonderstellung des Menschen in der Natur aus. (S. 32)
“Diese […] der menschlichen Vernunft entsprechende Sorge für die Gemeinschaft ist die Quelle dessen, was man recht eigentlich mit dem Namen Recht bezeichnet.” (S. 33) (eigene Hervorhebung)
[110] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 73f
[111] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 74
[112] Eigene Anmerkung: Das entspricht der „Grundregel des Naturrechts“ von Samuel Pufendorf: „Die Regeln dieses Gemeinschaftslebens oder die Lehren darüber, wie sich ein jeder betragen muß, um ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft zu sein, werden als Naturrecht bezeichnet. Daraus ergibt sich folgende Grundregel des Naturrechts: Jeder muß die Gemeinschaft nach Kräften schützen und fördern. Nach dem Grundsatz «Wer ein Ziel will, dessen Wille umfaßt notwendigerweise auch die Mittel, ohne die das Ziel nie erreicht werden kann» folgt daraus: Gebot des Naturrechts ist alles, was für das Leben in Gemeinschaft notwendig und nützlich ist; was stört und schadet, ist verboten.“ Aus: Pufendorf, Samuel von. Über die Pflichten des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur. Insel Verlag. Frankfurt/Main & Leipzig 1994, S. 48.
Gemeint ist mit „betrafen“ hier eine negative Konsequenz im Sinne der Evolution: Schaden anrichten, ohne es verhindern zu können! Alfred Adlernannte das „das Gesetz der niederen Tür“.
[113] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 74
[114] Eigene Anmerkung: Letztlich bestanden alle historischen Bemühungen, die wir kennen, immer darin, gesellschaftliche Ordnungen zu schaffen, um die Gewalt, das Faustrecht, den Krieg, abzuwehren.
[115] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 75
[116] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 75
[117] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 75
[118] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 75f
[119] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 76f
[120] Eigene Anmerkung: Das bedeutet, dass der Portmannsche Ansatz auf die Moral erweitert werden kann: Das extrauterine Erstjahr endet mit dem Beginn der Trias aufrecht Gehen, Denken und Sprechen. Es wäre dann die Quadriga Moral, aufrecht Gehen, Denken und Sprechen.
[121] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 77 (eigene Hervorhebung)
[122] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 77
[123] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 77
[124] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 77
[125] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 77f
[126] Eigene Anmerkung: Die politischen Antworten auf diese Fragen, gibt de Waal (hier jedenfalls) nicht. Man könnte sie so probieren: 1991 war der erste US-Krieg des Vierten Weltkrieges, es folgten 1995-1999 die Balkankriege, 2001 begann der Afghanistankrieg, 2003 begann der Irakkrieg, weitere sind geplant. 1991 minus 20 Jahre ergibt 1971. 10-20 Jahre brauchte es, um einen Krieg in den Köpfen der Menschen zu verankern. Das war das Vierteljahrhundert, während dem die Evolutionsbiologie von dem Weg abgewichen ist, die Ursprünge der menschlichen Moral in der Natur zu suchen. Eines der Instrumente, um den Krieg in den Köpfen zu verankern, war der in der Öffentlichkeit zur Herrschaft gebrachte Teil der „evolutionären Psychologie“, der „Evolutionsbiologie“ u. a. 1998 drang die Theorie vom Menschen als „Krebsgeschwür des Planeten“ in die American Anthropological Association (AAA). Das Pentagon „Projekt Minerva“ will die Sozialwissenschaftler, vor allem die „evolutionäre Psychologie“ für die kommenden US-Kriege rekrutieren.
[127] Eigene Anmerkung: Das formuliert er als Wissenschaftler so. Ich weiss nicht, was er als politischer Mensch für eine Antwort gibt. Man müsste ja darüber nachdenken, dass die Stimmung/Ideologie/Meinung, dass der Mensch und die Welt grausam und gnadenlos ist und dass man sich nur mit Gewalt darin bewegen kann, gemacht ist und das gleiche politische Kalkül ist, das der Produktion von Killerspielen zugrundeliegt, der Brutalisierung der Kinder durch Horrorvideos und ähnliches mehr.
[128] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 78
[129] Frans de Waal: Primaten und Philosophen, S. 78

 

 

 

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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