Moritz Nestor
14. Juli 2020 – Die PR-Firma Farner riet im Abstimmungskampf um die Präimplantationsdiagnostik PID dem Pro-PID-Lager: Das Thema «Eugenik», «Selektion» vermeiden, um die Abstimmung zu gewinnen.
Aber: Am 27. Mai sagte Felix Gutzwiller, einer der Prominenten aus dem Pro-PID-Lager, in der «Neue Zürcher Zeitung»:
«Die grösste Eugenik betreibt die Natur selber, indem sie sehr viele Embryonen aussondert, die nicht entwicklungsfähig sind. Im Labor macht man nichts anderes.»
Man kann nur danken sein für diesen Satz: Denn wenn Felix Gutzwiller Natur und Labor gleichsetzt, gibt er zu, dass es eben doch um Eugenik geht. Im Labor züchtet der Mensch. Aber die Natur züchtet nicht! Eugenik heisst: Der Mensch will Menschen züchten.
Die Sozialdarwinisten und Herr Gutzwiller (im Zitat) dichten der Evolution an, sie handle wie ein (züchtender) Mensch. Dass der Mensch die Evolution selbst in die Hand nehmen müsse … Wohin das führte, sollten wir wissen. Die Natur hat in mehr als vier Milliarden Jahren das Leben hervorgebracht. Und da wollen wir in 50 Jahren wissen, wie das geht?
Das PR-Büro Farner rät dem Pro-Lager: Dichtet dem Anti-PID-Lager an, es würde Angst vor der Eugenik machen. Ich habe in der Tat Angst vor Menschen, die keine Angst haben im Labor mit Menschen zu hantieren, als wären es Erbsen! «Hände weg vom Menschen!», warnte der grosse Schweizer Anthropologe Adolf Portmann in den sechziger Jahren, als die Menschenzüchter wieder Oberwasser bekamen.
Menschen züchten – alles vergessen?
Aus dem Sozialdarwinismus entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts die «Rassenhygiene». 1905 gründete Alfred Ploetz die «Gesellschaft für Rassenhygiene». Sie war ein erschreckendes pseudowissenschaftliches Geschwurbel.
Die Rassenhygiene jagte den Menschen Angst ein, dass durch das Leben in der Zivilisation die Menschheit degeneriere, denn immer mehr Kranke, schwache und arme Menschen würden sich ungehindert fortpflanzen. Daher forderten die Rassenhygieniker, der Mensch müsse seine Evolution selbst gestalten. Zum einen, indem man die Fortpflanzung der «Erbgesunden» förderte und die von «Erbkranken» verhinderte.
1920 veröffentlichten der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche ihr Buch «Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens». Darin rechtfertigen sie – lange vor Hitler – die «Ausmerze» der Lebensunwerten, weil sie der Gesellschaft zur Last fielen:
«Die unheilbar Blödsinnigen (…) haben weder den Willen zu leben noch zu sterben. So gibt es ihrerseits keine beachtliche Einwilligung in die Tötung, andererseits stößt diese auf keinen Lebenswillen, der gebrochen werden müsste. Ihr Leben ist absolut zwecklos (…) Für ihre Angehörigen wie für die Gesellschaft bilden sie eine furchtbare schwere Belastung. Ihr Tod hinterlässt nicht die geringste Lücke.»
«Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens» diente später den Nationalsozialisten als «wissenschaftliche Grundlage» ihrer «neuen Medizin» der «Euthanasie» und das Massenmordes an «Artfremden», die vernichtet werden mussten, weil sie wie biologische Erreger den «Volkskörper infizierten». Daher «Rassenhygiene».
1923 entstand in München der erste Lehrstuhl für Rassenhygiene. Kurz darauf wurde es auch zum Pflichtfach für Medizinstudenten.