Hans Abplanalp. I gah nid furt

15. Oktober 2024

bildschirmfoto-2016-11-29-um-22-12-03Hans Abplanalp
I gah nid furt

Basel 2016

 

Paul Hauswirth ist Bergbauer auf der Mutthöchi im Kanton Bern. Die Bewirtschaftung seines Hofs verlangt ihm und seiner Familie einiges ab. Sie führen ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben. Jäh wird ihre Existenz von aussen bedroht: Eine Volksinitiative verlangt, abgelegene Gebiete im Kanton aus Spargründen zu schliessen und deren Bevölkerung auszusiedeln. Hauswirth wehrt sich mit allen Mitteln dagegen, doch sein Kampf kann das ungerechte Schicksal nicht abwenden.
Die Bauern der Mutthöchi können es anfänglich gar nicht glauben, dass eine derartige Inhumanität mehrheitsfähig werden könnte. Paul Hauswirth und seine Frau wehren sich bis zum Schluss gegen die Vertreibung. Seine Frau stirbt voller Gram an einem Herzinfarkt und Paul Hauswirt muss psychiatrisch behandelt werden. Mehrere erschütternd schwere Schicksale unter den von ihren Höfen Vertriebenen durchziehen den Roman.

Vordergründig geht es um den eidgenössischen Finanz- und dem kantonalen Lastenausgleich. Es werden im Verlauf der Handlung aber auch die dahinter liegenden tieferen ideologischen Lager deutlich sichtbar, die zu diesem Solidaritätsbruch im Schweizervolk geführt haben: Zum einen ein rein ökonomischer Sparkurs auf dem Rücken der Bergbauern, denen man nachsagt, sie würden viel kosten aber keine Steuern einbringen und die beraten werden von weltfremden „Raumplanern“ und „Umweltingenieuren“. Im Hintergrund und ungesagt, aber deutlich durchschimmernd steht die Absage gewisser Kreise an landwirtschaftliche Selbstversorgung und die Hinwendung zu industriellen Landwirtschaftsprodukten aus dem Ausland.
Auf der anderen Seite schwelgen tiefenökologische Naturschützer davon, dass mit der Vertreibung der Bergbauern die zehn angeblich unrentablen Agrarflächen wieder „zurück zur Natur“ kommen und zur neuen Heimat von Wolf und Luchs werden. Sie träumen von „Wilderness“ und einem „Naturwildpark“ – ohne Menschen. Der Zwillingsbruder derartiger Naturschützer stellt sich auch schnell ein: Geschäftstüchtige Studenten der Hochschule Luzern, die Tourismus und Eventmanagement studiert haben und die in den verwilderten Gebieten Treckings, Überlebenstrainings planen. Eine Firma will die verlassenen alten Bauernhäuser auf Luxusstandard „zwägchlepfe“ und an potente Interessenten vermieten: private Reservate mit einmaliger Intimsphäre in abgelegner Wildnis für Käufer aus dem Showbusiness, der Wirtschafts- und Finanzwelt aus dem In- und Ausland mit entsprechendem Portemonnaie. Eine Gratiszeitung titelt wütend: Man vertreibe die ursprüngliche Bevölkerung und lasse dafür „ein paar reiche Säcke“ rein.

In der psychiatrischen Klinik Waldau, wohin Paul Hauswirth schliesslich gebracht werden muss, da er mit dem Sturmgewehr um sich schiesst und nach dem Tod seiner Frau seelisch zusammenbricht, nimmt sein Leben eine Wende. Er trifft auf eine bosnische Putzfrau, die in den Jugoslawienkriegen ein schweres  Schicksal erlitten hat. Ihr Mitgefühl und die Hilfe seiner Enkel führen ihn wieder ins Leben zurück.

Es ist nur ein schwacher Trost, wenn manche Buchbesprechungen darauf hinweisen, dass aufgrund der Schweizer Verfassung sich die Geschichte in der heutigen Realität so nicht abspielen könnte. Die ideologischen und politischen Hintergründe der fiktiven Volksabstimmung sind jedoch nur zu real geschildert und bestimmen die schweizerische Tagespolitik nachhaltig. Mit der Erzählung möchte der Autor die Diskussion anregen: „Wohin will unser Land?“. Der ehemalige Schulleiter Hans Abplanalp hat dieses Buch seinen sechs Enkelkindern gewidmet. Es wirkt gerade deswegen so eindringlich direkt und kräftig, weil es in Berner Mundart geschrieben ist.

Der 1947 geborene und pensionierte Lehrer und Schulleiter Hans Abplanalp hat die seltene Gabe, einen komplizierten Stoff so in mitmenschlich einfühlsam geschilderte Lebensschicksale einzubetten, dass Menschen jeden Alters die geschilderten anspruchsvollen Probleme sehr gut verstehen können.  Aus jeder Zeile erklingt die Liebe des Autors zur Schweiz, sein Mitgefühl und seine Solidarität mit denen, die unser täglich Brot mit ihren Händen schaffen.

 

 

 

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