Helmut Faust
Geschichte der Genossenschaftsbewegung
Ursprung und Aufbruch der Genossenschafts-bewegung in England, Frankreich und Deutschland sowie ihre weitere Entwicklung im deutschen Sprachraum
3. überarbeitete und stark erweiterte Auflage 1977
Helmut Faust behandelt einen Gegenstand, den die akademische Geschichtswissenschaft bislang sehr stark vernachlässigt hat. Gegenüber den Vorauflagen ist das Werk sehr stark erweitert und überarbeitet worden und bietet dem Historiker der Arbeiterbewegung eine Fülle von Material und Anregungen für seine Arbeiten. Es ist z.Z. keine Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland erhältlich, die in biobibliographischer Hinsicht gleich vollständig ist und einen ähnlich großen Zeitraum umfasst. Es ist eine «personale Geschichtsbetrachtung» und Faust vermeidet eine «quantifizierende Betrachtungsweise». Da die Genossenschaftsidee der sozialen Natur des Menschen und der darin verankerten Gegenseitigen Hilfe entspringt, gehören als conditio sine qua non Freiwilligkeit und Gleichwertigkeit zu den beiden Grundprinzipien von Genossenschaften. Faust geht daher bewusst auf Distanz zu den kollektivistischen, elitären und autoritären Theoretikern der Arbeiterbewegung, die Freiheit und gemeinschaftliches Produzieren mit Terror herbeizwingen wollten, was nichts mehr mit der Grundidee der Genossenschaft zu tun hat. Eine der schlimmsten historische Beispiel dafür ist die Politik der Kollektivierung nach dem Ersten Weltkrieg in der Ukraine, der Kornkammer Europas, welche die russischen Marxisten in Russland mit brutalem Terror durchführten. Vor allem der frei wirtschaftenden Bauernschaft unterstellten die Marxisten, allen voran Lenin, die freie Wirtschaftsweise bringe «Tag für Tag, Stunde für Stunde Kapitalismus hervor». «Zunächst waren die Kulaken (die reichen Bauern) dran. Später auch die Dorfarmen. Wer nicht freiwillig in Kolchosen (sowjetische Großbetriebe) eintrat, galt als Staatsfeind, erhielt keine Arbeit und wurde zwangsenteignet.» (Juri Krawtschenko) 45 Millionen hungerten. Der britische Historiker Robert Conquest beziffert die Gesamtopferzahl des Terrors unter dem autoritären bolschewistischen Sozialismus damals in der Ukraine nach dem Ersten Weltkrieg auf bis zu 14,5 Millionen Menschen. Zu recht geht Faust auf diesen Teil der Arbeiterbewegung, wenn man ihn denn so nennen will, nicht ein, weil Kollektivierung und Terror nichts mit Genossenschaft zu tun haben. Gerade dass Faust in diesem Sinne konsequent personale Geschichtsschreibung betreibt, trotz stramm von links wehendem Zeitgeist, das macht das Buch so wertvoll.