Vorsicht vor militanten Tierschützern
Februar 2010 ∙ Moritz Nestor
Der Verfassungs-Initiative (Art. 80 Abs. 4) fordert zwei Dinge. Erstens den «Tieranwalt». Er ist ein unserer Rechtsordnung fremdes, störendes Institut. Zweitens soll der Bund «den Rechtsschutz von Tieren als empfindungsfähigen Lebewesen» umfassend regeln. Mit diesem Sätzchen würde eine jahrelange unnötige Gesetzgebungsmaschine angeworfen, obschon das erst 2008 revidierte Schweizer Tierschutzgesetz eines der strengsten weltweit ist und gut greift.
Viel bedeutungsvoller ist jedoch, dass die Initiative mit den Begriff «Tiere als empfindungsfähige Lebewesen» undeklariert eine Ideologie einführen will, dessen hochbrisanten politischen Hintergrund sie nicht offenlegen will, nämlich das radikalökologische Konzept der «Tiefenökologie». Diese steht in engem Zusammenhang mit der von Peter Singer geründeten Tierbefreiungsbewegung bzw. Tierrechtsbewegung. Sie macht mit gewaltsamen Tierbefreiungsaktionen seit längerem von sich reden, bei denen menschliche Opfer bewusst eingeplant werden.
Als Experte hat der französiche Diplomat Jean-Christophe Rufin diese politische Bewegung in seinem Roman 100 Stunden[1]beschrieben, der 2008 erschien. Im ANHANG des Romans findet sich ein dokumentarischer Teil (S. 551-557). Er gibt einen exzellenten Einstieg in die sogenannte Tiefenökologie (Begründer Arnes Naess) und der damit verbundenenTierbefreiungsbewegung (Peter Singer) sowie deren schlimmsten Aktivisten, wie James Lovelock, Tom Regan, William Aiken, Stan Rowe. Alle Zitate im Roman stammen aus Originalschriften der Militanten und ihrer Theoretiker.
Jean Rufin, 1952 in Bourges (Frankreich) geboren, studierte Medizin und Politik. Er war Vizepräsident von Ärzte ohne Grenzensowie Berater im französischen Verteidigungsministerium, daneben immer wieder als Entwicklungshelfer tätig. Dies gab ihm profunden Einblick in Fragen der Umwelt und Bevölkerungspolitik. Heute ist er französische Botschafter im Senegal und Mitglied der Académie francaise. Er warnt:
„Wir sind dabei, vom Kampf gegen die Armut zum Krieg gegen die Armen überzugehen.“[2]
Rufin zitiert die schockierenden Absichten des Ökoterroristen William Aiken:
„Eine massive menschliche Mortalität (engl. „die backs „!) wäre eine gute Sache. Es ist unsere Pflicht, sie herbeizuführen. Es ist die Pflicht unserer Gattung gegenüber unserer Umwelt, 90 Prozent unserer Masse zu vernichten.“[3]
Original: “In fact, massive human die backs would be good. Is it our duty to cause them? Is it our species’ duty, relative to the whole, to eliminate 90 percent of our numbers?”[4]
Die zum Terrorismus neigende Strömung der Tiefenökologie ist innerhalb der weltweiten Ökologiebewegung hauptsächlich in den USA und England dominant, hat aber ihre Ableger weltweit. Sie veröffentlicht ihre Anschläge auf der Website www.directaction.info.
Rufin macht im Tatsachenroman 100 Stunden auf die Gefahr aufmerksam, dass Ökoterroristen ahnungslose Tierschützer guten Willens in ihre Organisationen hineinziehen. Die Militant Forces against Huntigdon Life Science (MFA Austria) aus der Tiefenökologie-Szene lancierte im August 2009 zum Beispiel Terroranschläge gegen den CEO Novartis, Dr. Daniel Vasella, bei denen im Namen der Tiere das Grab seiner Mutter verwüstet und sein Haus angezündet wurde.
Der Ökoterrorismus (Tiefenökologie / Tierbefreiungsbewegung / Gaia Movement u. ä.) wird vom FBI für die zweitgrösste Bedrohung nach dem fundamentalistischen Islamismus angesehen.[5]
Die Tiefenökologie ist eine modernisierte Variante des Malthusianismus des 19. Jahrhunderts, der zusammen mit dem Sozialdarwinismus im 20. Jh. in der rassistischen Biopolitik («Blut und Boden») der Nazis endete. Im Zentrum steht eine Radikalkritik am Menschen, die auf Terror hinausläuft: Um die Natur/«Mutter Erde»/«Gaia» (Lovelock) retten zu können, müsse man die Menschen massiv dezimieren. Die «Tragfähigkeit» der Erde betrage rund 1 Milliarde Menschen. So fordert z. B. J. Stan Rowe 2004 in seinem «Manifest für die Erde» im Namen des Naturschutzes «die Reduzierung der Weltbevölkerung zurück zu einer Zahl, die sie vor dem allgemeinen Verbrauch von fossilen Energiequellen hatte, d.h. zu einer Milliarde oder weniger.» Die Tieranwalts-Initiative ist der Anfang einer Entwicklung, die in diese Richtung geht.
Das Tier als empfindungsfähiges Lebewesen ins Recht einzuführen und das Institut des Tieranwalts sind die Knospen dieser Ideologie, die einer grossen Überwachung und Bespitzelung von Haustier- und Kleintierhalter sowie der Landwirtschaft Tür und Tor öffnen würde.
Wie das Bundesbüchlein auf Seite 17 zu Recht schreibt, geht es darum, das strengste Tierschutzgesetz der Welt mit Augenmass zu handhaben. Tiere werden in der Schweiz im Allgemeinen im Grossen und Ganzen artgerecht gehalten.
P.S.
Zur Verbindung zwischen Tierrechten und Ökoterrorismus beim Zürcher Tieranwalt Antoine F. Goetschel
Am 21. Juni 2006 sprach Antoine F. Goetschel im Rahmen der Interdisziplinary Lectures on Animal Rights[6], welche im SS 2006 an der Universität Heidelberg stattfanden, über Tierrechte. Am 24. Mai 2006 sprach dort auch Tom Regan, aus dessen Buch Earthbound das obige Zitat des Ökoterroristen William Aiken stammt. Ebenso mit dabei war Eugen Drewermann, der am 19. Oktober 2006 in seinem Vortrag „Wie hältst Du’s mit den Tieren oder: von der Notwendigkeit einer neuen Ethik“ sagte:
„Wenn dieser Tag heute zuende geht, werden wieder 150 Tier- und Pflanzenarten ausgerottet sein. Das geht so jeden Tag. […] Nicht irgendeine Tierart hat scheinbar noch ein Recht, angesichts der Anspruchserwartung der menschlichen Spezies das Überleben zu sichern. Der Hauptmotor der Zerstörung ist die rein biologische, numerische Expansion der menschlichen Gattung selber.“[7]
[1] Jean-Christophe Rufin: 100 Stunden. S. Fischer. Frankfurt/Main 2008.
[2] Jean-Christophe Rufin: 100 Stunden. Nachwort, S. 551
[3] Übersetzung in: Jean-Christophe Rufin: 100 Stunden, Nachwort. S. 552.
[4] Tom Regan (Hg.): Earthbound. New Introductory Essays in Enviromental Ethics. Random House, New York 1984, S. 269.
[5] Jean-Christophe Rufin: 100 Stunden, S. 552
[6] URL: http://www.vorlesungen-tierrechte.de/test/ilar2.php?area=2&lang=de (eingesehen am 24.1.2010)
[7] URL: http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~rebert/arlectures/media/index.php?f=2&v=drewermann (eingesehen am 2.2.2010)