Martin Kriele
Die demokratische Weltrevolution
Warum sich die Freiheit durchsetzen wird
München 1988
Die Geschichte der demokratischen Revolution ist die Geschichte des Mündigwerdens des Menschen. Der Rechtszustand, der den Menschen und den Völkern Freiheit zur Selbstgestaltung ihres Lebens gewährleistet und diese Freiheit zugleich so beschränkt, daß die anderen Menschen und Völker die gleiche Freiheit genießen, ist die der Natur des Menschen allein gemäße Gestalt des Zusammenlebens. Das ist der Grund, weshalb der demokratischen Revolution eine natürliche Tendenz auf universale Ausbreitung innewohnt: Sie ist die Weltrevolution schlechthin.
Martin Kriele (1931–2020) war Professor für Allgemeine Staatslehre und Öffentliches Recht, Direktor des Seminars für Staatsphilosophie und Rechtspolitik der Universität Köln und zugleich Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen. Seine Person und sein Werk stehen in der Geschichte des Naturrechts nach dem zweiten Weltkrieg aus einem ganz speziellen Grund einzigartig da.
Gegen Ende der Sechzigerjahre beginnt ein mehr als zwanzigjährige Renaissance des Naturrechts. Dieter Schelauske hat sie in seiner historisch systematischen Studie «Naturrechtsdiskussion in Deutschland. Ein Überblick über zwei Jahrzehnte 1945-1965» (1968) dargestellt. Jürgen Habermas von der zweiten Generation der «Frankfurter Schule» fertigt diese zwanzig Jahre mit der lapidaren Bemerkung ab, sie sei «unter dem Niveau der Philosophie» geblieben. [Jürgen Habermas. Theorie und Praxis, 4. Auflage, Frankfurt/Main 1971, S. 118.] Nota bene: Es war eine öffentliche Diskussion, «die Theologen, Juristen und Philosophen gleichermassen auf den Plan rief und über zwanzig Jahre hin auf das lebhafteste beschäftigte: die Diskussion um die vielen Fragen des Naturrechts, deren literarischer Niederschlag so gross ist, dass sich damit einige stattliche Bücherregale füllen lassen.»[Schelauske, 1968, S. 18.] Ende der Sechzigerjahre verstummt sie allmählich.