Vor 150 Jahren starb der Erfinder der Blindenschrift, Louis Braille

24. September 2016

 


Vor 150 Jahren starb der Erfinder der Blindenschrift, Louis Braille


 

Ein grosser Psychologe hat einmal bemerkt, dass es die mitmenschlichen Leistungen sind, die Taten für den Frieden, die einen Menschen unsterblich machen. Der Franzose Louis Braille (1809 bis 1852) lebt unsterblich im Herzen der Menschheit. Denn er hat mit seiner Erfindung, der Sechs-Punkt-Schrift, die Blinden und Sehbehinderten auf der ganzen Welt vom Analphabetentum befreit und ihnen Bildungsmöglichkeiten eröffnet, die zuvor nur Sehenden offen standen. Ruhm gebührt aber auch seinen Eltern: Braille entwickelte nämlich die Idee für eine Blindenschrift schon als Kind. Er war als Dreijähriger an einer schweren Augenverletzungen infolge eines Unfalls mit einem Messer erblindete. Statt aber zu resignieren, förderten die Eltern seine Geschicklichkeit in einem derart hohen Masse, dass ihr Louis zusammen mit Sehenden die Schule besuchen konnte. 1820 lernte der elfjährige Louis Braille in Paris Nicolas Marie-Charles Barbier kennen. Dieser hatte eine im Dunkeln tastbare Schrift mit zwölf Punkten  erfunden, womit Soldaten auch nachts Befehle lesen konnten. Der junge Braille merkte schnell, dass die Soldaten-Geheimschrift mit zwölf Punkten zu schwerfällig war, und begann, eine eigene Punktschrift zu entwickeln, deren Punkte weniger Platz wegnahmen und daher zu lesen war. Mit 16 hatte er ein erstes brauchbares System öffentlich angekündigt. Sein System bestand nun aus zwei nebeneinander stehenden Dreierreihen von tastbaren Punkten, woraus 63 Kombinationen für Buchstaben und Zeichen möglich sind. 1852, nach dem Tod Brailles im Alter von 43 Jahren setzte sich seine Schrift zum Segen vieler Millionen Menschen weltweit durch. Nach 1879 übernahmen die deutschen Blindenschulen die Braille-Schrift. In Frankreich wurde sie 1854 offiziell eingeführt.

Weit mehr als eine reine technische Erfindung war die Braille-Schrift das Werk mitmenschlichen Denkens und Fühlens, in Technik übersetzt. Ein bewegendes Beispiel gerade in unserer Zeit der Kriegshysterie, wozu menschliche Vernunft imstande sein kann: Ein Mensch, der sich in die Lage seiner Mitmenschen hineindenkt und mit ihnen nach Auswegen sucht, macht eine Erfindung, die Millionen und Abermillionen freier macht. Wenn etwas Kultur ist, dann ist es diese Übernahme von mehr Verantwortung für die Schwachen.

Diese eigentliche Sorge um die Gemeinschaft, das der Menschennatur zutiefst innewohnende Gefühl der Fürsorge, ist der natürliche Ursprung des Rechts – des Naturrechts. Oder wie Hugo Grotius, der gross Naturrechtslehrer des 17. Jahrhunderts sagte:

«Selbst manche Tiere mässigen die Sorge für ihren Nutzen durch die Rücksicht […] Dies mag bei ihnen aus einem Instinkt herrühren. […] Der reife Mensch aber […] verbindetmit einem starken geselligen Trieb, für den er vor allen Geschöpfen das besondere Mittel der Sprache besitzt, auch die Fähigkeit, allgemeine Regeln zu fassen und danach zu handeln. Dies alles hat der Mensch nicht mehr mit anderen Geschöpfen gemeinsam, sondern ist eine Eigenart der menschlichen Natur. Diese … Sorge für die Gemeinschaft ist die Quelle dessen, was man eigentlich mit der Bezeichnung Recht meint. […] Der Mensch hat vor den übrigen Lebewesen … auch die Urteilskraft, um das Angenehme und das Schädliche einzuschätzen, und zwar nicht bloss das Gegenwärtige … Es entspricht deshalb der menschlichen Natur, auch hierin nach dem Mass menschlicher Einsicht dem zu folgen, was für richtig erkannt wird, und sich dabei nicht durch Leidenschaft und Vorurteil hinreissen zu lassen. Was diesen Geboten entgegengesetzt ist, ist auch gegen das Recht der menschlichen Natur.“[1]

[1] Hugo Grotius: De Jure Belli ac Pacis, 1670, IIf. [Von Krieg und Frieden, 1625] Zitiert nach: Materialien zur Rechtsgeschichte 3. Schott, Clausdieter (Hrg.) Textbuch: Rechtsgeschichte. Forschungsstelle für Rechtsgeschichte. überarbeitete Auflage. Zürich 1992, S. 63.

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