Wichtiger Etappensieg der Schweizer «Euthanasie»propagandisten

Februar 1995 Moritz Nestor

In einer der letzten Ausgaben von Zeit-Fragen wurde über die hauptsächlich von Sozialisten und Grünen wie Jean Ziegler und Andreas Gross lancierte «Motion Ruffy» zur Legalisierung der Patiententötung in der Schweiz berichtet. Die Motion fordert wörtlich, ein Arzt solle straffrei bleiben, wenn er unter bestimmten Bedingungen bei einem Patienten einen «Unterbruch des Lebens» vollziehe und den Patienten so davor «schütze», dass er seines «Todes beraubt» werde – so der Motionstext auf «Neusprech». In einem freien demokratischen Rechtsstaat darf kein Mensch seines Lebens beraubt werden, und dabei muss es bleiben! Das Lebensrecht ist ein Freiheitsrecht des Bürgers gegenüber Dritten, und der Staat hat seit jeher die seit dem 18. Jahrhundert erkannte Pflicht, das Leben zu schützen. Entweder schützt der Staat das Leben, oder er gibt es zur Tötung frei, dann schützt er es nicht mehr.

 

Angriff auf die Menschenrechte

Die Schweizer Verfassung und die völkerrechtlich verbindliche Erklärung der Menschenrechte bilden unseren Grundwertebestand, sie garantieren den unbedingten Schutz des Lebens. Anstatt sich darauf zu stützen, hat nun der Bundesrat einen Kotau vor dem Zeitgeist gemacht und will die Fragen rund um die «Euthanasie» von einer «Expertengruppe eingehend klären lassen».

Der Schweiz gebührt die Ehre, weltweit die besten und humansten Richtlinien für echte Sterbehilfe zu haben. Patiententötung wird strikt verneint, ohne den Patienten einer «Überbehandlung» auszuliefern. Es gibt daher, wie schon früher in dieser Diskussionsreihe betont wurde, keine «unerforschten Wege» in der «Euthanasie»frage – höchstens ein Anknüpfen an bestehende Grundsätze sowie deren Verbesserung und Ausbau. In den prinzipiellen Fragen haben diese Richtlinien Pflöcke für die Zukunft eingeschlagen. Jean Ziegler, Andreas Gross und anderen Unterzeichnern der «Motion Ruffy» geht es allerdings um eine Änderung im Grundlegenden, nämlich um die politische Ausschaltung der medizinischen Sachverständigen und der Richtlinien. Mit der Aufhebung des Tötungsverbotes streben die Motionäre offenbar ideologische Manipulationen im Strafrecht an, die nicht mehr verfassungskonform sind, weil sie in den naturrechtlich geltenden Bestand an Grundwerten eingreifen, wie er mit der Erklärung der Menschenrechte längst Völkerrecht geworden ist.

 

«Experten»diskussion lässt Dämme brechen

Von daher haben die Schweizer «Euthanasie»propagandisten nun mit dem Versprechen einer «Expertengruppe» einen äusserst wichtigen Durchbruch erreicht: Jetzt wird darüber beraten, man redet, man diskutiert, ob nicht vielleicht doch – unter bestimmten Bedingungen, versteht sich – getötet werden darf. Natürlich nur, wenn es human ist, etwas anderes darf nicht in Frage kommen und so weiter und so fort – die gleiche Diskussion, die die Niederländer in den letzten zwanzig Jahren durchgemacht haben. Und mit jedem Reden über die Möglichkeit des Tötens zerbricht bei den Zeitgenossen ein Stück innerer Widerstand. Mit jedem Reden über die «Menschlichkeit des Tötens» wird der Geist verwirrt, denn plötzlich erscheint es doch «human» zu töten. Und dann ist die Diskussion dort, wo sie schon Goebbels haben wollte: Die Begriffe der Menschlichkeit sind umgedreht, Leben wird zum Tode, und der Mörder erscheint gerechtfertigt durch die «neue Moral» des «Gnadentodes». Dann sind wir dort, wo die Niederländer längst sind. Deren «Kultur des Todes» nennt die Patiententötung «Euthanasie» – das heisst «schöner Tod» – selbst wenn sie ohne Willenserklärung des Patienten und weder an Sterbenden noch bei körperlich Kranken, sondern bei allen Formen «unerträglichen Leidens» (!) geschieht.

Wer wird also in die vom Bundesrat eingesetzte «Expertengruppe» abgeordnet werden? Etwa Jean Ziegler, für den der heutige Mensch noch gar nicht Mensch ist und der sich von Che Guevara dazu berufen fühlt, im «Kopf des Ungeheuers», dem Schweizer Kapitalismus, für die kommunistische Diktatur zu kämpfen? Oder etwa der Zürcher Philosophieprofessor Anton Leist, der Krebsforschung ablehnt, weil es dann angeblich zu viele alte Menschen gäbe, die überleben, was zu teuer würde – der gleiche Professor, der als Kriterium für die Frage, ob ein Mensch leben dürfe oder nicht, in einem Vortrag an einer deutschen Hochschule Lust-Unlust-Empfindungen genannt hat!

Es war immerhin eine «Expertengruppe», die rund vierzig Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess Menschenversuche – diesmal mit Heroin – wieder für ethisch unbedenklich erklärte. Soll nun das gleiche in der «Euthanasie»frage durchexerziert werden?

 

«Kultur des Todes»

Die Nazis haben uns grausam vorgemacht, was passiert, wenn das Tötungsverbot im Staate aufgehoben wird. Haben wir das vergessen? An den laufenden Ereignissen in den Niederlanden – wo Tausende und Abertausende von körperlich oder psychisch Kranken auch ohne ihre Einwilligung im Namen der «Selbstbestimmung» getötet werden und eine fortschrittsgläubige Regierung und Rechtsprechung unentwegt betont, dies habe nichts mit nationalsozialistischen Patiententötungen zu tun – haben wir das brutale, lebensechte Experiment, was passiert, wenn das Lebensrecht im Staate zu Schanden geritten wird. 1991 hatte in den Niederlanden der «behandelnde» Arzt in fast 20 000 aller Todesfälle die Absicht, das Leben des Kranken zu «verkürzen». Darunter sind 400 Fälle von Beihilfe zum Suizid; 1000 Fälle, in denen der Arzt dem Patienten ohne dessen ausdrückliches Verlangen Gift gab; 8100 Fälle, bei denen mit dem ausdrücklichen oder impliziten – was immer das heissen mag – Wunsch des Patienten eine Überdosis eines Mittels verabreicht wurde; 7875 Fälle von Behandlungsabbruch mit der ausdrücklichen oder impliziten Absicht zu töten. Die letzten beiden Fallgruppen werden als «normale medizinische Behandlung» bezeichnet. Zusammen sind das 19 675 Fälle (15,2% aller jährlichen Todesfälle), bei denen 11 575mal (9% aller jährlichen Todesfälle) ohne ausdrückliches Verlangen des Patienten getötet wurde.

Wie heute auch die niederländische Ärztegesellschaft KNMG forderte der Nationalsozialist Viktor Brack, Leiter der «Euthanasie»abteilung II: «Die Spritze gehört in die Hand des Arztes!» Meist drehte damals ein Beauftragter im Namen des Ganzen dann allerdings den Gashahn auf. Auch dies wurde als «Lösung» definiert und erklärt: «(. . .) es war notwendig, mit gutem Gewissen eine grundlegende Methode zu finden (. . .)», so der Nationalsozialist Brandt.

 

Tötungsverbot muss bleiben

Die Argumentation der «Euthanasie»propagandisten geht auf die Goebbelsche Formel hinaus, es sei menschlich, den schwer Leidenden zu töten. Doch an vielen Orten der Welt finden wir Not und viel schreckliches Leid. Die Logik der «Euthanasie»propagandisten liefe darauf hinaus, einen Teil der Menschheit von ihrem durch Natur oder Menschenhand verursachten Leid einfach dadurch zu erlösen, dass man ihn tötet. Die Kollektivierungspolitik der Kommunisten nach dem Bürgerkrieg in der UdSSR folgte einer ähnlichen «Logik»: sie lieferte Millionen «einfach» einem schrecklichen Hungertod aus. In den Dörfern waren Menschen zu sehen, die Tote assen – so unermesslich war das Leiden. Hätte man also alle leidenden Menschen umbringen sollen, um sie zu «erlösen»?

Es ist absurd und schändlich, der Not und dem Elend dadurch aus dem Weg zu gehen, dass man vorgibt, durch Töten «helfen» zu wollen. Die Sprache zu verdrehen und von «Unterbruch des Lebens», «lebensbeendender Massnahme» oder ähnlichem zu sprechen, macht die Sache nicht besser. Wer hier dem Tod eine Türe öffnet, tritt sämtliche Menschenrechte mit Füssen, weil er deren grundlegendes – das Recht auf Leben – zerstört. Töten ist Töten und muss im freien Staate verboten bleiben – für jeden!

 

(Zeit-Fragen Nr. 14, Februar 1995, Seite 14)

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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