Wider den verlogenen Missbrauch der Debatte um die sexuelle Ausbeutung von Kindern

1. April 2010 Moritz Nestor

Die sexuelle Ausbeutung von Kindern und der Kinderhandel gehören zusammen mit Kriegen, Waffen- und Drogenhandel, Hunger, Ausbeutung und Folter zu den schlimmsten Auswüchsen unserer heutigen Welt. Ein zutiefst beschämendes und riesiges Problem. Rechte wie Linke; Gläubige und Ungläubige; Nahestehende und Verwandte – und vor allem Mächtige im Establishment: gut organisiert und hochvernetzt in den Kommandozentralen von Wirtschaft, Politik,[1] Kultur- und Medienschaffende sind darin verwickelt. Mit der gegenwärtigen Kampagne gegen die katholische Kirche aber lässt sich das Problem nicht lösen. Im Gegenteil.

Eine typische Taktik: Er sichert sich das Vertrauen der Eltern und bringt deren Kind in seine Abhängigkeit, sucht spielerisch Körperkontakt, systematisiert das Gegrapsche ‑ sexueller Missbrauch, ein Kinderschänder am Werk.

Eine typische Aussage: «Ich habe lange Diskussionen mit den Eltern geführt. Ich habe ihnen gesagt, dass die Bedürfnisse der Kinder immer vernachlässigt worden sind. Die Eltern haben mich als Bezugsperson akzeptiert. Ich habe in diesem Kindergarten zwei Jahre lang gearbeitet. Die Kinder waren zwischen zwei und fünf Jahren. Ich habe ungeheuer viel gespielt, habe mich mit den Kindern rumgeprügelt, ich habe mich vollständig mit ihnen identifiziert. Ich wollte, dass die Kinder mich gern haben, und ich habe alles getan, dass sie von mir abhängig wurden. Bei den Kindern ist mir bewusst geworden, dass dieses Bedürfnis, den anderen von mir abhängig zu machen, tatsächlich in allen meinen Beziehungen vorhanden ist. Mein ständiger Flirt mit allen Kindern nahm bald erotische Züge an. Ich konnte richtig fühlen, wie die kleinen Mädchen von fünf Jahren schon gelernt hatten, mich anzumachen. Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenladen geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln. Ich habe je nach Umständen unterschiedlich reagiert, aber ihr Wunsch stellte mich vor Probleme. Ich habe sie gefragt: ‚Warum spielt ihr nicht untereinander, warum habt ihr mich ausgewählt und nicht andere Kinder?‘ Aber wenn sie darauf bestanden, habe ich sie dennoch gestreichelt.» Kein katholischer Priester. Sondern Daniel Cohn-Bendit, Europaabgeordneter der Grünen im Kapitel 9 (mit der schlüpfrig zweideutigen Überschrift „little big man“) seines 1975 erschienenen Buches «Der grosse Basar».[2] Man kann auch Kinderschänder sein, wenn man links ist, in Parlamenten sitzt und über die «repressive Vor-68er-Sexualmoral» (Cohn-Bendit) triumphiert.

In der gegenwärtigen so aufgeregten Kampagne fällt bezeichnenderweise eins unter den Tisch: Die katholische Kirche anerkennt offen das Unrecht in ihren Reihen. Sie redet in ihrem Hirtenbrief darüber tief betroffen. Sie anerkennt die Schuld und ist zum Handeln bereit, um aufzuklären, wiedergutzumachen sowie künftigem Unrecht vorzubeugen.

Und Grüne und Linke? Als Cohn-Bendit auf die Ausbeutung der ihm anvertrauten Kinder angesprochen wurde, die er als Objekte für seinen sexuellen überformten Machttrieb benutzte, blieb er gleichgültig und kalt gegenüber dem Unrecht. Schnodderig fertigt er ab, wer nach dem begangenen Unrecht fragt und seine heutige Einstellung dazu wissen will. Reue? ‑ ein „bürgerliche Vorurteil“. „Haben Männer hierzulande so viele Probleme im Umgang mit gleichwertigen Partnerinnen, oder ist der Typ des kaputten, kranken Mannes im Kommen?“ fragte Kriminalhauptkommissar Manfred Paulus, nach über 10 Jahren Ermittlung im Bereich Pädophilie.[3]

Der Umgang mit diesem Problem unter Linken und Grünen scheint allgemein a la Dany le Rouge zu verlaufen. Adolf Muschg belehrt uns vom «akademischen Hochsitz» aus, dass der sexuelle Missbrauch durch den ehemaligen Leiter der Odenwaldschule, Gerold Becker, ein pädagogisches Mittel der Reformpädagogik sei; der Kirche wirft er dagegen heuchlerisch Doppelmoral vor.[4] Beckers Lebenspartner, Hartmut von Hentig, leugnet die sexuelle Ausbeutung, spielt sie herunter und macht das Opfer zum Täter: Wenn überhaupt, so habe allenfalls einmal ein Schüler den Gerold Becker verführt.[5] Reue, wie von der katholischen Kirche empört gefordert – kein Nanogramm.

Urs Allemann erhielt, hoch gelobt vom renomierten Zürcher Germanistik-Professor Peter von Matt, für seinen kinderpornographischen Text «Babyficker» den Ingeborg-Bachmann-Preis. Wer geht heute für diese kulturelle Schandtat in sich – was für ein komisches Ansinnen. Wer das sagt, muss katholisch sein.

Wer kennt noch die deutsche Kindersexdebatte? Nein, keine katholischen Priester. Aus den Reihen der deutschen Grünen kam 1985 der Vorschlag, „gewaltfreie, sozusagen zärtliche geschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern endlich zu entkriminalisieren“.[6] Details nachzulesen bei Siegfried Uhl: Die Pädagogik der Grünen. Wo bleibt die Reue der Grünen? Die man von der katholischen Kirche so vehement fordert.

Und wer erinnert sich noch an Marc Dutroux? Nein, kein katholischer Priester. Ein Kinderschänder, -händler und -mörder im riesigen Geflecht eines internationalen Kinderpornograhie-, Kinderschänder- und Kinderhändlerrings. Die Drahtzieher sind in den Regierungs- und Verwaltungsetagen der Europäischen Union und der europäischen Regierungen zu Hause und haben bis heute jede Aufklärung über den sexuellen Missbrauch von tausenden von Kindern unterdrückt. Man lese nur einmal Dirk Schümers: Die Kinderfänger. Wo ist die Reue dieser Kreise? Die man von der katholischen Kirche so vehement fordert. Wenn Prominente wie Michel Friedmann zu sehr in Drogen- oder Frauenhandel verwickelt sind, werden sie eine Weile zurückgenommen, bis die Unruhe vorbei ist. Das Gesetz der Omertá funktioniert in der ganzen EU geschmeidig.

Und doch soll man den Eindruck gewinnen, es sei ein katholisches Problem.

Wer von denen, die, ohne nachzudenken, die sexuellen Missbräuche katholischer Priester anprangern, redet von den ca. 2 Millionen Kinderprostituierten in Südamerika und Süd- und Ostasien? Dem „Frischfleisch“. Dem „Grünkram“. Jahresumsatz ca. 5 Milliarden Dollar.[7] Zahlen, dagegen sind die Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche ein Muckenschiss. Wer sind die Kunden dieser 2 Millionen unglücklichen „Sexobjekte“? Menschen aus unseren Ländern. Vielleicht Herr X oder Frau Y von nebenan oder über der Strasse. „Nach einer Aids-, Sex- und Tourismusstudie der FU Berlin über den Partnerwechsel Deutscher im Urlaub <verbrauchen> bei einem durchschnittlichen Urlaub von 22 Tagen Kindersextouristen im Durchschnitt 8 junge Mädchen – im Vergleich zu sonstigen Sextouristen, die es <nur> auf 5 Frauen bringen.“[8]

Versteht man, was ich meine: Wer eigentlich ‑ ist das wahre Problem. Darüber sollte man gründlich nachdenken, statt sich von antiklerikalen Gefühlen aus vergangenen Zeiten leiten zu lassen. Ein Ende dieser verlogenen Kampagne muss sein. Sie hat kein Herz für die Opfer und beleidigt sie erneut. Sie vertieft das Problem noch mehr. Sie vertuscht, dass die Opfer für andere Ziele instrumentalisiert werden: Die vielen unglücklichen Opfer von Armut, Sexismus und Rassismus werden instrumentalisiert für den ideologischen Kampf gegen die katholische Kirche. Sie als Ganzes, und nicht die katholische Sexualmoral, will man weghaben. Weil sie den zur globalen Macht drängenden Militär- und Finanzblöcken ein Dorn im Auge ist. Weil sie gegen die imperialen Kriege der angloamerikanisch-europäischen Kriegsallianz, gegen die globale Ausbeutung, gegen Folter, gegen den von Menschen gemachten Hunger und die vielen globalen Ungerechtigkeiten Stellung bezieht, und weil sie Naturrecht und Tötungsverbot aufrechterhält, was die Kriegsallianz mit aller Macht abschaffen will.

Wer sich hat hinreissen lassen, das Problem als ein rein katholisches zu verorten, muss zu denken anfangen: Welchen Zielen dient das Einprügeln auf eine Institution, die längst einsichtig ist, wirklich? Und was nützt undifferenziertes Einprügeln? Tatsache ist: Die katholische Kirche hat sich dem Problem gestellt. Die grosse Mehrzahl der Täterschaften aber, die gerne selbstgefällig mit Medienmacht über die Kirche herfallen, absolut nicht.

All diese Überlegungen machen keines der angesprochenen Probleme besser oder schlechter. Aber sie zeigen die Verlogenheit dieser Kampagne, die sofort zugunsten einer von allen Seiten ehrlichen und sauberen Aufarbeitung beendet werden muss. Die bekannt werdenden Fälle müssen aufgearbeitet und, wo nötig, verfolgt werden, die Opfer müssen geschützt werden. Unrecht muss gesühnt und die Gesellschaft geschützt werden. Vor allem: Dem internationalen Geschäft mit den Kindern dieser Welt muss die „Nachfrage“ aus unseren Ländern entzogen werden. Und dann stellt sich die entscheidende Frage: Cui bono – wem nützt diese verlogene Kampagne. Wem nützt das Einprügeln auf die katholische Kirche, die längst ohne Zweifel auf der Seite derer steht, die eine echte Lösung anstreben?

 


 

[1]     Schümer, Dirk: Die Kinderfänger. Ein belgisches Drama von europäischer Dimension. Berlin 1997.
[2]     Cohn-Bendit, Daniel. Der grosse Basar. Trikont Verlag München 1975, S. 139ff. Einige Zwischensätze sind in diesem Ausschnitt weggelassen, ohne den Gesamtzusammenhang zu entstellen.
[3]     Gallwitz A. & Paulus M.: Die Kinder-Sex-Mafia in Deutschland. Berlin 1999, S. 52.
[4]     Keller, Peter: Von der Zärtlichkeit zum Missbrauch. In: Die Weltwoche Nr. 12/10 vom 24.3.2010.
[5]     Keller, Peter: Von der Zärtlichkeit zum Missbrauch. In: Die Weltwoche Nr. 12/10 vom 24.3.2010.
[6]     Lübbe, Hermann: Politischer Moralismus. Berlin 1987, S. 55. Zit. Nach: Uhl, Siegfried: Die Pädagogik der Grünen. München/Basel 1990, S. 59.
[7]     Schümer, Dirk: Die Kinderfänger. Ein belgisches Drama von europäischer Dimension. Berlin 1997, S. 199.
[8]     Gallwitz A. & Paulus M.: Die Kinder-Sex-Mafia in Deutschland. Berlin 1999, S. 49.

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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