Zahlen und Fakten zu den niederländischen Patiententötungen (1) «Euthanasie» – offizielle und wirkliche Daten

April 1995 Moritz Nestor

In der gegenwärtigen Kampagne zur Legalisierung der Tötung auf Verlangen werden mit Vorliebe die Niederlande  als Beispiel angeführt. Dort sei angeblich eine gesetzlich kontrollierte Freigabe der Tötung von Patienten  ohne Missbrauch möglich geworden. Über die holländische Praxis der Patiententötungen liegt allerdings  genaues amtliches Material vor, das unter der staatlichen Zusicherung von Straffreiheit erhoben  wurde. Die Daten zeigen die völlige Haltlosigkeit der Behauptung, die Niederlande hätten das Problem der  Tötung von Kranken unter Kontrolle.

Am 17. Januar 1990 setzte die niederländische Regierung eine Kommission ein, die ermitteln sollte, wie  viele Patienten in den Niederlanden tatsächlich jährlich durch Ärzte ums Leben kommen. In den Jahren zuvor  hatten in den Niederlanden immer mehr Ärzte aus den unterschiedlichsten Gründen Patienten getötet. Kein  Mensch kannte das genaue Ausmass dieser durch die Paragraphen 293 und 294 nlStGB bis heute strafrechtlich verbotenen  Praxis.

Den Ärzten wurde folgendes zugesichert:

 

«Die durch die Erasmus-Universität eingesammelten Fragebögen  werden unmittelbar nach Erhalt anonymisiert. Selbst die Möglichkeit der indirekten Identifikation ist ausgeschlossen.  Die gegebenen Informationen sollen zu keinem anderen Zweck gebraucht werden als zur Beantwortung  der Fragen in der Untersuchung. Für keinen Teilnehmer wird diese Untersuchung juristische Konsequenzen  haben.»[1]

 

Am 10. September 1991 wurde der nach dem Kommissionsvorsitzenden benannte «Remmelink-Bericht»  veröffentlicht. Durch die staatliche Zusicherung der Straffreiheit geschützt und ermuntert, berichteten die niederländischen  Ärzte den Untersuchern sehr offen über ihr wahres Handeln und ihre Motive. Der Bericht ist die  wichtigste Datenquelle über das tatsächliche Ausmass der Tötungen von Patienten in den Niederlanden. Er berichtet  über einen Zeitraum von einem Jahr.

 

«Akt der Menschlichkeit beim Sterben»

Niederländische Regierungsstellen zitieren aus dem Remmelink-Bericht immer wieder die Zahl von 2300  «Euthanasie»-Fällen pro Jahr. Mit mehr oder minder grossen Abweichungen wird diese Zahl auch in der  Schweiz oft genannt. Schaut man jedoch etwas genauer in die Zahlentabellen und lässt sich von den Deutungen  der Kommission nicht täuschen, finden sich erschreckende Daten.

Zum Beispiel tauchen plötzlich 1 000 weitere Patienten auf, die ohne ihr Verlangen oder Wissen getötet wurden.  Der Bericht nennt diese Fälle jedoch nicht «Euthanasie», weshalb diese Toten in den offiziellen Bulletins  auch nicht unter dieser Rubrik aufgeführt werden. Hier liegen 1 000 Patiententötungen vor, bei denen der Arzt  im Fragebogen sein Handeln selbst als aktive Lebensverkürzung ohne Willenserklärung des Patienten bezeichnet  hatte. Der Bericht spricht hier von einem «im äussersten Notfall angewandten Akt der Menschlichkeit beim  Sterben». Folgende Motive – Mehrfachnennungen waren möglich – wurden für diese 1 000 Tötungen ohne Verlangen  angegeben:

 

– 17% auf Wunsch des Patienten, obwohl der Patient in Wirklichkeit gar nicht gefragt worden war;

– 30% Schmerzen/Leiden des Patienten;

– 31% niedere Lebensqualität;

– 60% keine Aussicht auf Besserung;

– 39% Behandlung wurde sinnlos;

– 33% nicht unnötig verlängern;

– 32% die Angehörigen hielten es nicht mehr aus;

– 1% ökonomische Gründe, z. B. Bettenknappheit. [1]

 

Unter ausdrücklicher Berufung auf die Niederlande fordern Schweizer «Euthanasie»liberalisierer vom Gesetzgeber  ein «Recht auf den Tod». Dann werden auch hier unsere Kranken, Alten und Dementen getötet, weil die  Angehörigen es nicht mehr aushalten, weil die Betten zu knapp sind, weil keine Aussicht auf Besserung besteht  oder weil die Lebensqualität zu niedrig ist! Wollen wir das? [l]

 

Quelle: Zeit-Fragen Nr. 16, April 1995, Seite 1)


[1] Van der Maas, P.J./ van Delden, J.J.M./Pijnenborg, L. Medische Beslissingen Rond Het Levensende. Sdu Uitgeverij Plantijnstraat. ’s-  Gravenhage 1991.

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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