Die Rettung der Erde gegen den Menschen? – Wenn Menschen Gott spielen …
12. Februar 2010 ∙ Moritz Nestor
Wenn Ihnen gegenüber, lieber Leser, jemand behaupten würde: „Das Problem der Moral bezüglich der Vernichtung von Leben ist äusserst vielschichtig.“, würden Sie ihm dann nicht entgegenhalten: Meine Moral und die Moral aller Menschen, die mit mir zusammen in diesem Staat leben, ist bezüglich Töten nicht „vielschichtig“, sondern eindeutig: Töten ist Unrecht. Das Strafgesetzbuch meines Staates ist nicht vielschichtig, sondern eindeutig: Menschen dürfen nicht vernichtet werden. Wer Menschen vernichtet, ist ein Verbrecher. Haben wir etwa Hitler nicht verurteilt? Der ungeschriebene Moralkodex meines Landes im Herzen aller Bürger ist nicht „vielschichtig“, sondern ihm reicht ein Satz: Du sollst nicht töten.
Was würden Sie sagen, wenn der gleiche Mensch penetrant darauf antworten würde: „Es gibt eine heftige Kontroverse über die Umstände, unter denen es legal ist, Menschen zu töten.“? Würden Sie ihn nicht fragen: Wo bitte? In meinem Land ist man unter den Menschen einig. Ich kenne niemanden unter den Schweizern, der eine solche „heftige Kontroverse“ führt. Wollen Sie 2 500 Jahre Ringen um Frieden und Gerechtigkeit, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die EMRK, das Strafgesetzbuch sowie die Verfassung mit Menschenwürde und Menschenrechten zu Schrott erklären? Wollen Sie die Nürnberger Prozesse rückgängig machen? Wo haben wir eine „Kontroverse“ darüber, ob Krieg, Folter, KZ, Völkermord, Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ recht sei? Wir haben diese „Kontroverse“ höchstens zwischen den notorischen Kriegsverbrechern und den Völkern, die von ihnen belogen wurden und werden. Sollen Kriegsverbrechen jetzt legal werden? Das wollen nur die Verbrecher selbst!
Wenn Ihr Gegenüber aber erneut kalt ansetzt: „Und es kann nicht verwundern, dass es schwierig ist zu entscheiden, ob bestimmte kranke Kinder überhaupt ein Recht auf Leben haben.“ Würden Sie ihm dann nicht, ohne nachzudenken, eine kräftige Maulschelle verpassen?
Nun aber hört der andere erst recht nicht auf: „Warum sperren wir Schimpansen in schrecklichen Primaten-Forschungszentren ein und benützen sie zu Experimenten, die von unbequem bis quälend und tödlich rangieren, und kämen doch nie auf den Gedanken, das gleiche mit einem zurückgebliebenen menschlichen Wesen zu tun, das sich auf einer viel niedrigeren Geistesstufe befindet?“ Spätestens jetzt wüssten Sie, dass dieser Mensch vor nichts zurückschreckt und kein Problem hätte: Behinderte zu Forschungszwecken, auch tödlichen, zu benutzen! Man muss nur diesen Satz zweimal lesen.
Wir haben es aber mit keinem Kriegsverbrecher zu tun, sondern mit dem «Philosophen» Peter Singer, der auf dem World Economic Forum WEF Davos 2000 sagte: „Wenn wir nicht Gott spielen, wer sonst?“[1] Peter Singer sass an diesem WEF mit Bill Clinton zusammen in der Arbeitsgruppe „Wieviel ist uns unser Gesundheitssystem wert?“ Was wurde dort hinter verschlossenen Türen beschlossen? Etwa, dass man bald „zurückgebliebene menschliche Wesen“ in die Forschungslabors der Pharmaindustrie schicken kann? Legal und „ethisch“ abgesichert a la Singer? Immerhin: Am WEF 2010 sprach man dort oben in Davos weit über den Menschen schon über menschliche Organe „unklarer Herkunft“ wie über den Kauf geklauter Bank-Daten durch die Merkel-Regierung: Wenn es uns nützt …!
Aber damit nicht genug: Der Singer-Text, aus dem die schrecklichen Zitate oben stammen, ist einer von drei utilitaristischen Texten, welche völlig mit Menschenrechten und Menschenwürde brechen und welche Tötungen von und Versuche an „nicht-menschlichen“ Menschen herbeireden. Diese drei Texte werden 1994 als „heutige ethische-philosophische Diskussion“ veröffentlicht. Eine schmähliche Niederlage des Denkens und der Humanität: Die philosophische Theorie des Utilitarismus, eine unter vielen seit der Antike und erst noch eine der unrealistischeren, als heutige ethische-philosophische Diskussion! Schon in den 90er Jahren warnten Philosophenkollegen: Die moderne Philosophie wird von Utilitaristen dominiert.
Nur ein Buch, mag einer denken, was soll’s? Diese drei Texte stammen aber aus dem Buch „Mensch und Tier. Herausgegeben im Auftrag der SAMW und der SANW von Alberto Bondolfi“.[2] Alberto Bondolfi führte mit Anton Leistund Franco Cavalli die gescheiterte Schweizer Kampagne zur Legalisierung von Patiententötungen zwischen 1993 und 2001.
Die SAMW setzt für alle Schweizer Ärzte fest, nach welchen ethischen Massstäben ein Schweizer Arzt handeln muss. Kann die SAMW den Ärzten auch Peter Singers Tötungsideologie vorschreiben? Diese Ideologie kennt keine Menschenwürde und keine Menschenrechte. Der Singersche Utilitarismus ist leeres Gerede ohne Argumentation, welches unreflektierte Gefühle bedient, um zu vertuschen, dass darin der Mensch abgeschafft ist. Rechtsgleichheit gilt nach Singer nicht, sondern nur Abwägung von Interessen. Das ist kruder Sozialdarwinismus in philosophischen Worthülsen. Das passst so wenig mit einer Demokratie zusammen wie Feuer und Wasser. Und damit werden Verfassung und Rechtsstaat verraten. Das im Namen einer staatlichen Institution?
Aber Singer hat Verteidiger: „Rechte des Tieres, das ist doch gut!“ Ja, alles retten: die Natur, die Tiere, die Pflanzen, alles, was wir Menschen kaputt und dreckig gemacht haben ‑ und auch den Menschen retten vor Krieg, Folter, Unterdrückung Ausbeutung, Armut und Hunger ‑ aber auch vor jenen Intellektuellen, die ihm das Töten und den Genozid als „ethische“ Tat beibringen wollen. Kein Schutz der Tiere rechtfertigt das Aufgeben der Menschenwürde und der Menschenrechte oder das «massive Zurücksterben» der Gattung Mensch (Aiken) auf eine Milliarde. Man sass doch nicht in Nürnberg zu Gericht, um von der SAMW Peter Singer als ethische Richtlinie für Ärzte empfohlen zu bekommen.
Meine Generation hat, als Peter Singers Eltern als Juden gerade einmal in Hitlers Gaskammern umgekommen waren, gelernt: Töte nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz. Diese moralische Grundlage war längst da, im Gefühl verankert, als Peter Singer das Rad neu erfand und predigte, Tiere könnten wie Menschen leiden. Das wussten wir und haben es unseren Kindern beigebracht. Warum soll parallel dazu das Töten von Menschen wieder eingeführt werden? Wo bleibt das „Nie vergessen“?
Man muss nicht den Menschen erniedrigen, um die Tiere zu retten. Man muss nicht die Menschen dezimieren, um Platz für Tiere zu schaffen. Man muss schon gar nicht die Erde zum Lebewesen erklären, um Naturkatastrophen wie Erdbeben als „Rache Gaias“ (der vom Menschen geplagten Erde) zu verkaufen und daraus politisches Kapital zu schlagen. Wer Angst und Panik schürt, schafft die Stimmung für den Ruf nach dem starken Mann. Wie die Panikmache vor dem „Terrorismus“ soll auch diese unternationale Panikmache den globalen Welt-Polizeistaat rechtfertigen. Deshalb fordert der Gott spielende Peter Singer auch einen Weltstaat: „Wir müssen deshalb die Institutionen stärken, die Entscheidungen von weltweiter Bedeutung tragen und sie besser auf die Menschen abstimmen, die diese Entscheidungen betreffen. Diese Gedanken weisen einer Weltgemeinschaft mit direkt gewählter Vertretung und Legislative den Weg, die sich vielleicht langsam in vergleichbarer Art und Weise wie die Europäische Union entwickelt.“[i]
Die Ideologien kommen und gehen, sagt Frans de Waal, aber die Natur des Menschen bleibt. Lehren wir unsere Kinder die Liebe zur gesamten Natur. Bilden wir in ihnen Fähigkeit sich in die Menschen einfühlen zu können, auch wenn sie am Ende des Globus wohnen, und zeigen wir ihnen, wie sie ein Herz zu bekommen für alle Kleinen, Betagten, Kranken, Behinderten, Schwachen und Leidenden, denn die immer stärkere Sorge um alle Schwachen, Leidenden, Geplagten und Elenden ist der Kern einer wahren menschlichen Kultur. Der Mensch ist bis ins Mark ein soziales Wesen, er ist von Natur her fähig zu Mitgefühl und Verantwortung, wenn wir darüber wachen und die Anlage zur Menschlichkeit in uns und unseren Kindern fördern, bis eines Tages die Menschheit Gemeinschaftsgefühl atmet wie Luft – aber nur wenn wir es tun! Das zu verneinen und die Schwachen zu töten, die Menschenwürde und das Menschenrecht abzuschaffen, das ist der Rubikon, den Peter Singer längst überschritten hat. Aber in diesem öden Land, wo nur Interessen abgewogen werden, hat der Mensch keinen Platz, da herrschen smarte Gottähnliche und führen Kriege. In eine Demokratie passt das niemals.
[1] Original: „If we don’t play God, who will?“. In: Some notable quotes from Davos. URL: http://www.time.com/time/europe/davos2000/quotes2.html
[2] SAMW = Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften.
SANW = Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften
[i] Peter Singer: Globalisierungsethik. Vortrag an der Uni Leipzig: Das Sonntagsgespräch vom 29.5.2005. URL: https://www.uni-leipzig.de/sonntag/ss05/ (eingesehen am 1.2.2010)