«Was, zum Teufel, tun die unseren Kindern an!» Oder: Die «neue Schule» ohne prüfbare Wahrheit aus dem Geiste des Konstruktivismus’

2014 Moritz Nestor

 


«Was zum Teufel tun die unseren Kindern an!» Oder: Die «neue Schule» ohne prüfbare Wahrheit aus dem Geiste des Konstruktivismus’_


 

Heinz von Foerster (1911-2002) ist der Vater des Konstruktivismus’.  Der Schweizer Lehrplan 21 oder das ‚selbstorganisierte Lernen’ in den rot-grünen Gemeinschaftsschulen Baden-Württembergs und andere Gesellschafts- und Schul«reformen» sind nach den Ideen von Foersters Konstruktivismus‘ geformt. Das Bayrische Kultusministerium sagt, sein neuer Lehrplan sei ein Kind des Konstruktivismus’. In Baden Württemberg beginnt die rot-grüne Landesregierung unter Kretschmann gleich nach ihrer Wahl, die «Gemeinschaftsschule» einzuführen, deren staatlicherseits vorgeschriebene Lehrmethode das «selbstorganisierte Lernen» ist – die gleiche staatlich verordnete Einheits-Lehrmethode aus der Küche des Konstruktivismus‘ wie in der Schweiz. Als Stuttgart 2008 die Gemeinschaftsschule plante, lud sie den Schweizer Konstruktivisten und Ruth-Cohn-Schüler Peter Fratton ein. Der trug seine «pädagogischen Urbitten» vor: «Bring’ mir nichts bei. Erziehe mich nicht. …. .» Kürzer lässt sich die antipädagogische Haltung des Konstruktivismus’ nicht zusammenfassen. «Wissen lässt sich nicht vermitteln», lautet Heinz von Foersters antipädagogisches Dogma.[1] Frattons «Urbitten» sind auf furchtbare Weise ernst gemeint: Der Konstruktivismus behauptet, dass Wissensvermittlung unmöglich, ja falsch sei und unsere Kinder zu ‚trivialen Maschinen‘ (Foester) verderbe. Wer Wissen vermitteln wolle, vergewaltige die Kinder. Freies kreatives Lernen sei «selbstgesteuertes Lernen». Der Konstruktivist will den Klassenunterricht und den Lehrer als Pädagogen bewusst abschaffen. Er schafft damit das ab, was den Menschen als Menschen auszeichnet: das Soziale – den Menschen als Kulturwesen.

Bei Schweizer Lehrerfortbildungen und –schulungen zur Einführung des «Lehrplans 21» wird gerne das Buch von Heinz von Foerster mit dem absurden Titel «Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners» (6. Auflage, Carl Auer Verlag 2004) als Bildschirmfoto 2016-06-24 um 11.16.44Grundlagentext verwendet. Eine Grundschullehrerin zum Beispiel mit langer Berufserfahrung, , selbst Mutter von drei Kindern, erhielt unlängst an einer «Weiterbildung» der Bildungsdirektion ihres Kantons zur Einführung des «Lehrplans 21» ein Papier mit der Überschrift «Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners» als «Schulungsmaterial». Das sei ein wichtiger Basistext zum Hintergrund der «neuen Lehr- und Lernmethoden» des «Lehrplans 21», vor allem des «selbstgesteuerten Lernens», wird ihr gesagt. Sie ist hell empört. «Ich habe meine Kindern zur Ehrlichkeit erzogen. Und jetzt wollen die sie mir zur Lüge erziehen? Was, zum Teufel, tun die unseren Kindern an? Wozu bin ich denn Lehrerin geworden!» Das von Steuergeldern bezahlte «Schulungsmaterial» der Bildungsdirektion, das diese Lehrerin erhalten hat, ist eine Zitatensammlung aus dem Buch «Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners» des Physikers Heinz von Foerster.

Wenn man sich in Original-Quellen zu informieren versucht, was denn Konstruktivismus sei, dann stösst man meist auf ein sehr unverständliches Soziologen-Deutsch. Foerster liebt seitenlange mathematische Formeln, die mit Lernen nichts zu tun haben, dafür aber den Leser ihr Ehrfurcht versetzen sollen, als stünde er vor dem heiligen Gral.

Aber Foersters Buch «Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners» bildet eine Ausnahme: Es ist in einfachem Deutsch geschrieben, ohne Fremdwörter-Deutsch. Was man da liest, glaubt man zuerst nicht. Es ist im gewissen Sinn wie in «Des Kaisers neue Kleider», wo der narzistische Kaiser in Unterwäsche vor seine ehrfurchtsvoll schweigenden Untertanen tritt und sich einbildet, er trage ein unvergleichliches Prachtkleid seines tüchtigen Hofschneiders. Die Untertanen schweigen höflich. Aber in das Schweigen hinein platzt ein kleines Kind: «Aber der Kaiser hat gar nichts an.» Dem unbefangenen Leser von Foersters «Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners» geht es wie dem Kind: Er sieht –  gelehrten Unsinn.

«Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners» ist eine eingängig formulierte Dienstanweisung für die radikale Umgestaltung aller gesellschaftlichen Bereiche im Geist des Konstruktivismus’. Man kann den Autor des Satzes «Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners» für verrückt halten. Hinter dem Satz steckt aber ein radikaler Machtanspruch: Wer sagt Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, erklärt seinen Konstruktivismus zur alleinseligmachenden Wahrheit – und alle anderen werden als «Lügner» abgewertet und bekämpft. Er macht sich damit zum intellektuellen Grossinquisitor, der mit konstruktivistischem Sendungsbewusstsein darüber wacht, dass keine mehr von Wahrheit rede. Von Wahrheit zu reden – behauptet Foerster überheblich – sei «grotesk und unsinnig».[2]

Der Konstruktivismus versteht sich als universelle Lehre und glaubt, er stehe über allen Wissenschaftsgebieten und über allen wissenschaftlichen Fachbereichen. Er will die Auflösung der Fachbereiche: «Mein Ziel ist es, den Begriff der Wahrheit selbst zum Verschwinden zu bringen».[3] Darum lösen die Schul«reformen» den herkömmlichen Fächerkanon auf. «Ich möchte noch einmal betonen, dass ich … aus der ganzen Diskussion über Wahrheit und Lüge, Subjektivität und Objektivität aussteigen will. … Man sollte diese Begriffe einfach nicht mehr verwenden …».[4] Der Konstruktivist hält seine Lehre für «ent-facht» – heisst: Der Stoff wird nicht mehr in Fächer eingeteilt, jeder Fachgegenstand mit einer eigenen Methode. «Meine Lehre ist», sagt Foerster, «dass man keine Lehre akzeptieren soll.»[5]

Die Mutter im obigen Beispiel empörte sich zu recht: «Was, zum Teufel, tun die unseren Kindern an!»

Was sagen wir unserem Kind, wenn es lügt? Journalismus ohne Streben nach Wahrheit? Gerichte ohne Wahrheitssuche?

Warum aber soll man nicht lügen? Auf diese Frage gab Albert Einstein einmal folgende naturrechtliche Antwort:

«Das Lügen zerstört das Vertrauen in die Aussagen anderer. Ohne ein solches Vertrauen wird soziale Zusammenarbeit unmöglich oder zum mindesten schwierig. Die Zusammenarbeit ist jedoch wesentlich, um das menschliche Leben möglich und erträglich zu machen. Das heißt, die Vorschrift ‚Du sollst nicht lügen’ wurde zurückgeführt auf die Gebote: ‚Menschenleben ist zu erhalten’ und ‚Schmerz und Trauer sind soweit wie möglich zu verringern’.» (Albert Einstein)

 


 

[1]      Heinz von Foerster: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. 6. Auflage, Carl Auer Verlag 2004, S. 69f.
[2]      Heinz von Foerster: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. 6. Auflage, Carl Auer Verlag 2004, S. 16.
[3]      Heinz von Foerster: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. 6. Auflage, Carl Auer Verlag 2004, S. 29.
[4]      Heinz von Foerster: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. 6. Auflage, Carl Auer Verlag 2004, S. 32.
[5]      Heinz von Foerster: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. 6. Auflage, Carl Auer Verlag 2004, S. 16.

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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