Der Arzt Ludwig Woltmann 1900: vom sozialdawinistischen «Rassenkampf» zum marxistischen «Klassenkampf»

Zitatauswahl Moritz Nestor

Dr. med. et phil Ludwig Woltmann: Der Historische Materialismus.  Düsseldorf: Hermann Michels 1900 (Woltman-Zitate als)

 

Ludwig Woltmann (1871-1907): «Von diesem einst aktiven Sozialdemokraten … stammt der … Versuch, den Marxismus mit dem Darwinismus zu vereinigen, also die biologische und soziale Evolution theoretisch zu verbinden …, der den anschließenden Übergang zur Rassenlehre fast unvermeidlich machte. … Woltmann sah dabei „in den modernen Klassenkämpfen das Ringen der im Arbeiterstand vorhandenen germanischen Schichten nach Selbständigkeit und Freiheit“. Diese Bestrebungen könnten jedoch nur erfolgreich sein bei „Entmischung“ der europäischen Rassen durch künstliche Rückzüchtung, um damit die progressiven germanischen Rassenkerne im Interesse des Menschheitsfortschritts zur Entfaltung zu bringen.» (Aus: Josef Ludwig Reimer. Der SPD-Sympathisant, der Hitler die Ideen gab)

 

 

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Seite 353

Darwin und Marx werden in Übereinstimmung gebracht! Der Klassenkampf wird zum Teil des „Kampfs ums Dasein“ erklärt. „Derselbe Kampf ums Dasein“, wie er nach Darwin „im organischen Leben“die Evolution weiterbewege, beherrsche „auch die Entwicklung des sozialen und geistigen Lebens“. Das sei der Klassenkampf nach Marx. Diese Zusammenkleisterung von Marx und Darwin nennt er eine „natürliche Weltanschauung“. Sie habe den  Kampf ums Dasein als Motor aller „Formen und Stufen“ und „aller Entwicklungen des Lebens“ dargestellt: Vom „Rassenkampf“ zum „Klassenkampf“.

 

 

 

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Seite 360

Ein Mix aus Historischem Materialismus und Sozialdarwinismus. Die Evolutionstheorie  liefert sozusagen die „allgemeine Grundlage für die ökonomisch-soziale Erklärung der Geschichte der Ideen“. Den Sozialdarwinismus zur Grundlage des Historischen Materialismus erklärt. Oder, wie es in folgendem Zitat von Seite 361  heisst: Die „Bewusstseinsformen“ seien „biologische Anpassungen des Menschengeschlechts an seine Existenzbedingungen“.

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Seite 361

 

 

 

 

«Nach Woltmann hatten „die Franken, Normannen und Burgunden in Frankreich, die Westgoten in Spanien, die Ostgoten, Langobarden und Bajuvaren in Italien […] die anthropologischen Keime zu der mittelalterlichen und neueren Kultur dieser Staaten gelegt.“[1] Die herausragende Stellung Italiens und Frankreichs in der spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Geschichte Europas konnte Woltmann somit auf die Leistungen einer germanischen Führungselite zurückführen. In Italien hätten die Germanen allein aufgrund „ihrer höheren Begabung“ die „meisten und größten Genies hervorgebracht“, lehrte Wortmann.[2] Die Abteilung Italien seiner illustren „blonden Internationale“[3] zählt annähernd 150 Persönlichkeiten der italienischen Geschichte – unter ihnen Garibaldi, Cavour, Rossini, Verdi, ferner Thomas von Aquin, Dante, Petrarca, Michelangelo, Giordano Bruno, Columbus, Galileo und natürlich auch Leonardo da Vinci, für den sich aus den von Woltmann zusammengetragenen „biographischen und ikonographischen Zeugnissen“ folgendes „anthropologisches Gesamtbild“ ergab: „Hohe und kräftige Gestalt, langer schmaler Schädel, ebensolches Gesicht mit bedeutender leicht gebogener Nase, heller Teint, große blaue Augen, blondes und lockiges Haupt- und Barthaar.“ Aufgrund dieser den rassentypologischen Merkmalen der völkischen Rassen- und Germanenideologie entsprechenden Befunde stand es für Woltmann außer Frage: „Wenn irgend einer unter den großen Italienern, dann war Leonardo ein unvermischter Sproß germanischer Rasse.“[4] Mit seinem – wie Houston Stewart Chamberlain attestierte – „epochemachende[n] Werk“[5]64 trug Woltmann maßgeblich dazu bei, dem imperialistischen Charakter der völkischen Weltanschauung eine parawissenschaftlich legitimierte Grundlage zu schaffen. Denn wie alle Völkischen wurde auch Woltmann von der Überzeugung angetrieben, daß die „nordische Rasse […] dazu berufen“ sei, „die Erde mit ihrer Herrschaft zu umspannen, die Schätze der Natur und der Arbeitskräfte auszubeuten und die passiven Rassen als die- nende Glieder ihrer Kulturentwicklung einzufügen.“[6]» (Aus: Uwe Puschner: Die Germanenideologie im Kontext der völkischen Weltanschauung)

 

 

Anmerkungen

 

[1] Ludwig Wortmann (1936): Politische Anthropologie (= Woltmanns Werk, Bd. 1), Leipzig (1. Aufl. 1903), S. 349f.
[2] Ludwig Wortmann (1905): Die Germanen und die Renaissance in Italien. Leipzig, S. 150.
[3] Klaus von See (1983): Das ‚Nordische‘ in der deutschen Wissenschaft des 20. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik. 15 (1983), S. 8-38, S. 15.
[4] Woltmann 1905, S. 86.
[5] Chamberlain an Woltmann, 4.3.1904, abgedruckt in: Houston Stewart Chamberlain: Briefe 1882-1924. Und: Briefwechsel mit Kaiser Wilhelm II., Band 1, München 1928, S. 125f., S. 126.
[6] Woltmann (1936), S. 355f.

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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