«Euthanasie»-Zahlen aus den Niederlanden

5. Januar 2001 Moritz Nestor


«Euthanasie»-Zahlen aus den Niederlanden


 

Das niederländische Parlament hat vor kurzem weltweit das erste Euthanasie-Gesetz verabschiedet. Die niederländische Gesundheitsministerin rechtfertigte dies mit den Worten, Ärzte sollten nicht wie Kriminelle behandelt werden. Das ist zynisch, denn in den Niederlanden werden Patiententötungen mit Duldung und Hilfe der Justiz seit Jahren straffrei zu Tausenden durchgeführt.

Es liegen zwei grosse wissenschaftliche Studien über die Häufigkeit von Euthanasie in den Jahren 1990 und 1995 vor. Sie wurden unter Zusicherung von Anonymität und Straffreiheit unter niederländischen Ärzten landesweit durchgeführt. Danach töteten 1990 in 2319 und 1995 in 3256 Fällen Ärzte ihre Patienten auf deren Verlangen («aktive Euthanasie»), eine Zunahme von 40 Prozent. Beihilfe zum Suizid geschah 1990 in 386 und 1995 in 407 Fällen, eine Zunahme von 5 Prozent. 1990 sind das 2705 und 1995 3663 Fälle. Aber: 1990 töteten niederländische Ärzte 1031 Patienten ohne Verlangen, 1995 waren es 950 (Abnahme: 7,8 Prozent). Diese Fälle werden nicht als Euthanasie gezählt, sondern in einem gesonderten Kapitel «Akt der Menschlichkeit» genannt. Intensivierung von Schmerzmitteln mit Todesfolge («indirekte Euthanasie») geschah 1990 in 24 219 und 1995 in 26 050 Fällen. Aber: Sie werden «medizinische Behandlung» genannt, und 1990 hatte in 4859 Fällen der Arzt explizit oder implizit den Vorsatz, den Patienten zu töten.

Wer das politische Ringen in der Schweiz um Sterbehilfe verfolgt, weiss, wie sehr die Niederlande denen als Vorbild dienen, die auch hierzulande eine Liberalisierung oder Legalisierung der Tötung von Patienten aus Mitleid anstreben. In der politischen Auseinandersetzung darf daher nicht Mitleid alleinige Richtschnur sein. Mitleid ist ein edles Gefühl. Ruht es nicht auf Wissen und Sachverstand, kann es schnell zu tödlichem Mitleid werden, wie es der Psychiater Klaus Dörner so treffend nannte. Klugheit, das war eine tiefe Einsicht der antiken griechischen Philosophie, muss die Basis aller sittlichen Entscheidungen sein.

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

Weiterempfehlen