Hans Küng: «aktive Sterbehilfe» nicht «pauschal verurteilen»

22. Dezember 1998 Moritz Nestor

Der Tübinger Theologe Hans Küng appelierte unmittelbar vor der Frühjahrsvollversammlung der Katholischen Bischofskonferenz Deutschlands in einem Interview des Südwestfunks, die «aktive Sterbehilfe», das ist die Tötung  eines Patienten auf dessen Verlangen durch einen Arzt, nicht «pauschal zu verurteilen». Zur Begründung führte er das bekannte Argument an: Wenn jemand seine Schmerzen nicht mehr ertragen könne und der Arzt ihn töte, dann könne man dies nicht «von vorn herein als Mord» verurteilen.

Der deutsche Ärzteverband «Marburger Bund» hat Küng widersprochen: Manche Mediziner wüssten noch zu wenig über die Möglichkeiten der Palliativmedizin, jenen Zweig der Medizin, der sich mit Schmerzbekämpfung befasst. Die Tötung eines Patienten ist, so der Marburger Bund, «ein Ausdruck von Ohnmacht und Hilflosigkeit».

Küng bedient sich des zentralen Arguments der Befürworter der Patiententötung: «unerträgliche Schmerzen», wovon der Todkranke durch Tötung «erlöst» werden solle. Dieses Argument erscheint auf den ersten Blick für viele Menschen human, denn viele bewegt die Angst vor einem qualvollen Lebensende. Im Lichte der Tatsachen erweist sich das Argument allerdings als sehr dünn. Die heutige Palliativmedizin nämlich, die sich auf dem europoäischen Festland allerdings erst langsam durchzusetzen beginnt, ist so weit, dass heute praktisch kein Mensch mehr unter unerträglichen Schmerzen leidend sterben muss.

Voraussetzung ist allerdings, dass der behandelnde Arzt diese Behandlung kennt und beherrscht. Die wissenschaftlich korrekte Hilfe für den unter schweren Schmerzen Leidenden wäre nach dem internationalen Stand der heutigen Medizin die wirksame Linderung der Schmerzen und die liebevolle Pflege und Unterstützung – nicht aber seine Tötung.

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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