Uranwaffen: Superwaffe und superbillige Atommüllentsorgung!

Schurten, 25. Juli 2006 Moritz Nestor


 


 

 

Vom 19.-21. Mai 2005 veranstaltete die US-amerikanische Anti-Atom-Organisation Nuclear Energy Information Service (NEIS) in Chicago, Illinois, einen Kongress zum Thema Citizen Epidemiology. Zur Sprache kam dort auch die Verwendung von „abgereichertem“ Uran[1] zur Herstellung von Waffen und die verheerenden Folgen von deren Einsatz für die betroffene Bevölkerung.

 

Die Fakten

Das in der Natur vorkommende, in Bergwerken abgebaute Schwermetall Uran enthält etwa 0,7% des Isotops Uran 235. Der Rest besteht aus dem Isotop Uran 238. Um spaltbares Material für Kraftwerke und Bomben zu erhalten, muss der Anteil des Uran 235 in dem gewonnenen Uran  künstlich erhöht werden. Dabei entsteht eine grosse Menge Abfall – das sogenannte „abgereicherte“ Uran, das fast nur noch aus Uran 238 besteht. Dieser hochgiftige und strahlende Dreck wird in Europa in Deponien gelagert, was sehr viel Geld kostet und nicht selten politischen Ärger verursacht.

 

Die Superwaffe …

Verständlich ist daher, dass das Zeug gerne – zum grössten Teil kostenlos – an Interessenten abgegeben wird, um die hohen Kosten zu senken. Uran 238 hat nämlich Eigenschaften, die es für den militärisch-industriellen Komplex hochinteressant machen: Es ist billig, fast kostenlos. Und es ist das härteste Metall in der Natur! Das heisst: DU-gepanzerte Panzer[2], die DU-Munition verschiessen, sind nahezu unangreifbar für herkömmliche Waffen. Sie können aber den gegnerischen Panzerstahl mühelos durchschiessen. Man hat daher die Erfindung der DU-Waffen mit der des Maschinengewehrs im Ersten Weltkrieg verglichen.

 

… und die supergünstige Atommüll-Entsorgung

Uran ist aber auch ein hochgiftiges Schwermetall wie Cadmium und Blei. Durchschlägt ein DU-Geschoss eine Panzerplatte, verdampft und verbrennt ein Teil des DU-Kerns, und es entsteht hochgiftiger und radioaktiver Feinstaub. Über die Atmung, die Nahrung und über Wunden gelangt dieser in den Organismus von Mensch und Tier, verseucht die Umwelt.

Zum ersten Mal im 1. Golfkrieg (1991), dann im Kosovo (1999), in Afghanistan (2001) und zuletzt im 2. Golfkrieg (2003) verwendeten die USA Panzerungen und Munition aus abgereichertem Uran, die sogenannte DU-Munition. Das ist nichts anderes als zu Munition und Panzerungen weiterverarbeiteter radioaktiver Abfall. Er wird auf Amerikas Schlachtfeldern in aller Welt in der Explosionshitze von DU-Treffern zu Feinstaub verbrannt! Der Irak, Teile Ex-Jugoslawiens und Afghanistan wurden so zu riesigen Atommüllplätzen, auf denen der Abfall der Atomindustrie kostengünstig „entsorgt“ wurde. Nachdem Saudi-Arabien, Amerikas Partner in der Region, dies gefordert hatte, sammelte die US-Armee nach dem 1991er Golf-Krieg alle durch DU-Munition zerschossenen Geräte auf dem Gebiet von Saudi-Arabien ein und transportierte sie in die USA zurück. Unseres Wissens die einzige Aktion dieser Art.

 

 

Tödliche Strahlung

Prof. Dr. med. Siegwart-Horst Günther war längere Zeit Professor für Infektionskrankheiten und Epidemiologie an der Universität Bagdad, er ist Präsident des Gelben Kreuzes International. 1991 nahm er von einem Kampfgebiet im IrakReste von DU-Munition mit und liess sie in der Charité der Humboldt-Universität Berlin und an der Technischen Universität Berlin untersuchen. Dort wurde an der Oberfläche dieser Teile eine Dosisleistung von 11 mikroSv pro Stunde gemessen. „Die erträgliche Jahresdosis wird in Deutschland mit 300 mikroSv angegeben. 300 : 11 = 27,2 Stunden; die Jahrsdosis von einem Geschoss wird demnach in reichlich einem Tag erreicht. Ich sah ausgehungerte, völlig verschmutzte Kinder mit 12 solchen Geschossen, die als Puppen angemalt waren, spielen.“[3]

Die US-Armee gibt zu, 1991 im Golfkrieg 14 000 grössere DU-Granaten verschossen zu haben. Die britische Atom-Energiebehörde schätzt, dass im Grenzgebiet zu Kuwait heute noch etwa 40 Tonnen DU-Munition liegen, andere Experten reden sogar 300 Tonnen. Nur etwa 10% der Überreste von DU-Waffen wurden gefunden. Der Rest lagert im Erdreich oder gelangt als Staub überall hin. Und das nur in einem der vier US-Kriege, bei denen DU verwendet wurde!

 

 

Der Krieg kennt keine Sieger

Die Verseuchung mit giftigem und strahlendem DU-Feinstaub zeigt wieder einmal, dass es in einem Krieg weder Sieger noch Besiegte gibt, sondern dass der Krieg nur Verlierer kennt. Opfer dieser menschenverachtenden Waffe sind ebenso die Soldaten und die Bevölkerungen der angegriffenen Länder wie die Soldaten der Angreifer, wie auch letztendlich die Bevölkerung der Angreifer, denn der Dreck wird sich über die Erde verbreiten. Es ist nur eine Frage der Zeit. Die Vereinigung der Golfkriegsverteranen in den USA schätzt, dass allein nach dem Golfkrieg 1991 etwa 50 000 bis 60 000 US-Armeeangehörige vom „Golfkriegssyndrom“ betroffen sind. Bis 1995 mussten davon etwa 39 000 aus dem aktiven Dienst entlassen werden, und 2 400 bis 5 000 werden als verstorben geschätzt. In Grossbritannien erkrankten nach dem 1991er Golfkrieg etwa 4 000 Soldaten. Die Regierung nennt 16 Verstorbene. Es gibt aber auch Schätzungen von über 100. Im Irak, schätzt Prof. Günther, leiden etwa 250 000 Frauen und Männer an Symptomen des Golfkriegssyndroms. Die Sterblichkeit unter ihnen ist hoch. Allein in einer Bagdader Klinik zählte man nach dem 1991er-Krieg 5mal mehr an Leukämie erkrankte Kinder, vorwiegend aus dem Süden des Landes, wo der Krieg tobte. Prof. Günther nennt eine Studie dreier amerikanischer Wissenschaftler aus dem Jahre 1993. Danach sollen bereits in den ersten 8 Monaten nach dem Golfkrieg 1991 etwa 50 000 irakische Kinder an den Folgen von DU-Munition gestorben sein. Des weiteren zitiert Prof. Günther, dass 1994 im US-Staat Mississippi bei 251 Golfkriegsveteranen-Familien 67% der Neugeborenen mit Missbildungen geboren wurden ähnlich denen, die wir vom Contergan kennen, sowie mit schweren Blutkrankheiten.

 

 

Eine neue Dimension des Kriegsverbrechens

Die Verwendung dieses Kampfmittels stellt eine neue Dimension des Kriegsverbrechens dar, vergleichbar mit dem in Vietnam tonnenweise zur Entlaubung der Wälder und Vergiftung der Gesamtbevölkerung eingesetzten Dioxin-Kampfgift „Agent Orange“, bei uns auch als Seveso-Gift bekannt. Der giftige DU-Feinstaub gelangt über die Grundwasser führenden tieferen Erdschichten und über die Fernwinde über kurz oder lang in alle Regionen dieser Erde! Die Erde wird zur Müllkippe der Atommächte! Von den Kriegführenden ist keine Lösung zu erwarten. Die Nato wusste zum Beispiel im Kosovo-Krieg sehr genau Bescheid. Das deutsche Verteidigungsministerium wiess 1999 darauf hin, dass man gar nicht wisse, wohin überall DU-Munition verschossen wurde, da die Piloten selbständig herumgeschossen hätten.

„Die Nato hat am 1.7.99 auf eine mögliche toxische Gefährdung beim Umgang mit von D.U.-Munition getroffenen Fahrzeugen hingewiesen und vorbeugende Massnahmen empfohlen … eine Dekontaminierung seitens der Nato gibt es derzeit nicht … „[4]

Gibt es bis heute nicht. Den Menschen auf dem Balkan und in Afghanistan hat man das Gift ebenso kommentarlos hinterlassen wie den Vietnamesen das Dioxin. Sollen sie doch „vorbeugende Massnahmen“ treffen!

Die Bevölkerungen der Kriegführenden wurde bei allen vier Kriegen seit 1991 desinformiert mit erfundenen „Hufeisenplänen“, mit Massakern und Konzentrationslagern, die es nie gab, mit nichtexistierenden Massenvernichtungswaffen und Ähnlichem. Dann führten ihnen CNN et al. am Fernsehbildschirm telegene friedenserhaltende Massnahmen mit chirurgischen Luftschlägen vor. Der ehemalige deutsche Botschafter Freimut Seidelhat den 1991er-Golf-Krieg mit eigenen Augen gesehen, und er hat empfunden, was ein Mensch empfinden kann, wenn er nicht desinformiert wurde und den Krieg aus eigenen Erfahrung kennt:

„Angesichts der eigenen Kindheits- und Jugenderinnerungen an Bomben- und Artillerieangriffe, Flucht und sich mehrfach über unsere schlesischen Dörfer wälzenden Fronten mit verschiedenen „eigenen“ verbündeten (kroatischen, rumänischen und Wlassow-) und feindlichen (sowjetischen, mongolischen und polnischen) Truppen war ich erschüttert … Leider musste ich mit eigenen Augen sehen, dass es gegenüber der Zivilbevölkerung des Irak, Kurden und Araber, ein Krieg gewesen war, der sich nur in einem vom ‚Krieg meiner Kindheit’ unterschied: er war perfektionierter in seiner Brutalität – entsprechend den Fortschritten, die der menschliche Geist, bzw. konkreter gesagt, die Militärtechnik in den vergangenen 46 Jahren gemacht hat. … die ‚Seziermesserangriffe’ der UNO-Streitkräfte hatten nicht nur die Kraftwerke, sondern auch jedes Notstromaggregat, jede Pumpstation und jede noch so kleine Telefonschaltanlage zerstört und damit eine Viertelmillionenstadt in eine für viele tödliche Agonie gestürzt. (Auch ohne flächendeckend Wohnviertel zu zerstören, wie etwa am 13. Februar 1945 in Dresden, dessen Feuerschein aus fast 100 km Entfernung noch in meinem Gedächtnis des damals 11jährigen festgebrannt ist, denn wir gingen erst am 17.2.1945 ‚auf Treck’.)“[5]

 

[1] „abgereichertes Uran“ engl. „Depleted Uranium“
[2] DU = Depleted Uranium
[3] Günther, Siegwart-Horst: Uran-Geschosse: Schwergeschädigte Soldaten, missgebildete Neugeborene, sterbende Kinder. Eine Dokumentation der Folgen des Golfkrieges, 1993-1995. Mit Geleitworten von Tony Benn, Ramsey Clark, Margarita Papandreou & Freimut Seidel. 2. erweiterte Auflage. Ahriman-Verlag. Freiburg/Br. 1996, S. 22.
[4] Günther, Siegwart-Horst: Uran-Geschosse: Schwergeschädigte Soldaten, missgebildete Neugeborene, sterbende Kinder. S. 27.
[5] Günther, Siegwart-Horst: Uran-Geschosse: Schwergeschädigte Soldaten, missgebildete Neugeborene, sterbende Kinder. S. 18.

 

 

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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