Zahlen und Fakten zu den niederländischen Patiententötungen (1)
22. Dezember 1998 ∙ Moritz Nestor
«Euthanasie» – offizielle und wirkliche Daten
In der gegenwärtigen Kampagne zur Legalisierung der Tötung auf Verlangen («Sterbehilfe», «Euthanasie») [1998] werden mit Vorliebe die Niederlande als Beispiel angeführt. Dort sei angeblich heute eine gesetzlich kontrollierte Freigabe der Tötung von Patienten ohne Missbrauch möglich geworden. Über die holländische Praxis der Patiententötungen liegt allerdings genaues amtliches Material vor, das unter der staatlichen Zusicherung von Straffreiheit erhoben wurde. Die Daten zeigen die völlige Haltlosigkeit, mit der gerade die Niederlande als Beispiel einer «gelungenen» Kontrolle der Tötung von Kranken genannt werden. Hier werden in der Folge die erschütternden Zahlen und Fakten aus den Niederlanden genauer dargestellt.
Kurz die Vorgeschichte: Am 17. Januar 1990 setzt die niederländische Regierung eine Kommission ein, die ermitteln soll, wieviel Patienten in den Niederlanden tatsächlich jährlich durch Ärzte ums Leben kommen. In den Jahren zuvor hatte es in den Niederlanden immer stärker um sich gegriffen, dass Ärzte Patienten aus den unterschiedlichsten Gründen töteten. Man nannte das, ungeachtet der Tatsache, dass die Nationalsozialisten diesen Begriff schrecklich geprägt haben, «Euthanasie» (griech.: eu thanatos = «schöner Tod»). Kein Mensch kannte jedoch das genaue Ausmass dieser durch die Paragraphen 293 und 294 nlStGB bis heute [1998] verbotenen Praxis. Am 14. Juni 1990 wird in der zweiten Kammer des Parlamentes der Antrag gestellt, die Kommission dürfe keine Fälle untersuchen, wo Patienten gegen ihren Willen oder ohne ihr Wissen durch Ärzte getötet wurden! Anscheinend Schlimmes befürchtend, will damit die Opposition der Kommission einen Maulkorb verpassen. Die Kammer stimmt jedoch nicht zu und bestimmt ausdrücklich, die Kommission habe alle Formen von Patiententötungen zu untersuchen.
Am 13. August 1990 bittet der «heilkundige Hofinspektor für Volksgesundheit» bei der «Staatsaufsicht Volksgesundheit» zu Rijswijk unter dem Aktenzeichen GHI/BAGZ/26689 alle Ärzte in den Niederlanden in einem Rundschreiben um ihre Mitwirkung bei der Untersuchung aller Fälle von «Medizinischem Handeln am Lebensende». Den niederländischen Ärzten wird ausdrücklich zugesichert:
«Die durch die Erasmus Universität eingesammelten Fragebögen werden unmittelbar nach Erhalt anonymisiert. Selbst die Möglichkeit der indirekten Identifikation ist ausgeschlossen. Die gegebenen Informationen sollen zu keinem anderen Zweck gebraucht werden als zur Beantwortung der Fragen in der Untersuchung. Für keinen Teilnehmer wird diese Untersuchung juristische Konsequenzen haben.“[1]
Ebenso versichert die von der Kommission mit der wissenschaftlichen Untersuchung beauftragte Erasmus Universität zu Rotterdam in einem Rundschreiben vom Oktober 1990 allen niederländischen Ärzten:
«Ihre Privatsphäre und die der Hinterbliebenen der Verstorbenen werden maximal geschützt. Unmittelbar nach Eintreffen werden Ihre Unterlagen anonymisiert.“[2]
Am 10. September 1991 wird dieser, nach dem Vorsitzenden der Kommission, Staatsanwalt Remmelink, benannte «Remmelink-Bericht» veröffentlicht. Durch die staatliche Zusicherung der Straffreiheit ermuntert und geschützt, haben die niederländischen Ärzte den Untersuchern sehr offen über ihr tatsächliches Handeln und über ihre Motive berichtet, ohne Angst haben zu müssen, in Strafverfahren verwickelt zu werden.
Dieser Bericht ist die wichtigste Quelle von Daten über das tatsächliche Ausmass der Tötungen von Patienten in den Niederlanden. Er berichtet über einen Zeitraum von einem Jahr.
[1] van der Maas P.J., van Delden J.J.M., Pijnenborg L. Medische Beslissingen Rond Het Levensende. Sdu Uitgeverij Plantijnstraat. ´s-Gravenhage 1991, S. 181
[2] van der Maas P.J., van Delden J.J.M., Pijnenborg L. Medische Beslissingen Rond Het Levensende. Sdu Uitgeverij Plantijnstraat. ´s-Gravenhage 1991, S. 182