Zahlen und Fakten zu niederländischen Patiententötungen (3): «Du sollst nicht töten!»

Juli/August 1995 Moritz Nestor

Niederländische Regierungsstellen zitieren aus dem sogenannten Remmelink-Bericht, der alle Fälle von «Euthanasie» in den Niederlanden aus dem Jahr 1990 statistisch ausgewertet hat (PDF), beständig die Zahl von 2300 Fällen «Euthanasie» pro Jahr. Mit einigen Abweichungen ist dies auch meistens die Zahl, die im Ausland herumgereicht wird. Es wird auch häufig versucht, den Anschein zu erwecken, es gehe nur darum, dass den Menschen, die aus freien Stücken nicht mehr leben wollten, «geholfen» werde, «in Würde zu sterben».

Die unter der staatlichen Zusicherung von Straffreiheit und anonym von allen Ärzten der Niederlande erhobenen Daten des Remmelink-Berichts strafen diese Behauptungen jedoch Lügen und zeichnen ein noch viel erschütternderes Bild:

 

1. Todesursache: Gabe eines Giftes durch einen Arzt auf Verlangen des Patienten: 2300 Fälle

Nur solche Fälle wurden im Remmelink-Bericht als «Euthanasie» gezählt!

 

2. Todesursache: Gabe eines Giftes durch einen Arzt ohne Verlangen des Patienten: 1000 Fälle

Sie werden im Remmelink-Bericht gezählt, aber nicht «Euthanasie» genannt: Sie werden unter der Rubrik «im äussersten Notfall angewandter Akt der Menschlichkeit» geführt! Selbst nach offizieller Aussage der tonangebenden niederländischen Ärztegesellschaft KNMG entspricht das «unfreiwilliger Euthanasie» und ist «grundsätzlich verboten».

 

3. Todesursache: Überdosis eines Medikamentes: 8100 Fälle

In 6750 Fällen war dabei «Tötung» eines der Motive des Arztes für die Überdosis. In 1350 Fällen war «Tötung» das ausdrückliche Motiv des Arztes für die Überdosis. Der Bericht dokumentiert diese Fälle, bezeichnet sie aber als «normale medizinische Behandlung»!

 

4. Todesursache: Lebensverlängernde Behandlung ohne Verlangen des Patienten abgebrochen: 7875 Fälle

In 4275 Fällen war die Tötung eines der Motive, in 3600 Fällen war die Tötung das ausdrückliche Motiv des Arztes. Der Bericht dokumentiert diese Fälle, bezeichnet sie aber als «normale medizinische Behandlung»!

 

Bei 19 275 Todesfällen innerhalb des Jahres 1990 hatten also die betreffenden Ärzte das implizite oder explizite Motiv, das Leben des Patienten zu beenden – zu töten!

 

Diese Toten sind die stummen Zeugen dafür, dass das «holländische Modell» in Wirklichkeit eine unendliche Katastrophe ist. «Freiwilligkeit», «Selbstbestimmtheit» – wovon meist junge Journalisten so verantwortungslos sprechen – ist wohl das allerletzte, was sich in diesen Zahlen ausdrückt.

Diese Toten sind die logische Folge der veränderten Einstellung eines hohen Anteils der niederländischen Ärzte zu ihrem Beruf. Sie haben sich selbst zu Herren über Leben und Tod aufgeschwungen.

 

Keine ideologische Diskussion und keine Kostendebatte berechtigt dazu, Leben aktiv zu beenden. Wollen wir eines Tages den bedauernden Anruf eines Krankenhausarztes erhalten, man habe an unseren betagten Eltern leider einen «im äussersten Notfall angewandten Akt der Menschlichkeit» vollziehen müssen? Wollen wir selbst im Falle einer schweren Erkrankung oder bei Pflegebedürftigkeit im fortgeschrittenen Alter ungefragt die geschilderte Art einer «normalen medizinischen Behandlung» erhalten?

 

Quelle: Zeit-Fragen Nr. 19, Juli/August 1995, Seite 10

Autor

Moritz Nestor, Psychologe

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